Wieso der Luftverkehr in Deutschland schwächelt

Von | 1. Dezember 2024

500.000 Passagiere weniger als 2019 flogen im vergangenen Jahr vom Flughafen Leipzig/ Halle aus zu anderen deutschen Flughäfen und in die Welt. Und auch 2024 setzte sich diese Entwicklung bislang fort; in ganz Deutschland konnte das Vor-Pandemie-Niveau im laufenden Jahr noch nicht wieder erreicht werden. Während sich andere europäische Länder längst von den Reisebeschränkungen und Flugstreichungen erholt haben, wird in Deutschland immer noch weniger geflogen.

Im ersten Halbjahr 2024 wurden hierzulande nur 83 Prozent der Sitzplätze im Vergleich zu 2019 angeboten – in Europa insgesamt gab es etwa so viele Plätze wie vor der Pandemie, wie aus Daten des SRS Analyser hervorgeht. Und in Ländern wie Griechenland, Spanien oder Italien starteten sogar mehr Flugzeuge als vor Corona.

Passagiere fliegen von Prag statt von Dresden

Die Pandemie und ihre Beschränkungen haben Spuren in der deutschen Luftfahrt hinterlassen. Und die schlechten Nachrichten reißen nicht ab – jüngst kündigte die Billigairline Ryanair ihren Rückzug von mehreren deutschen Flughäfen an: Vom kommenden Sommer an wird das Angebot in Berlin und Hamburg reduziert, in Dortmund, Dresden und Leipzig zieht sich die Airline sogar ganz zurück.

„Das bedeutet in erster Linie, dass wir Verbindungen, wie zum Beispiel nach London, im kommenden Sommer nicht mehr haben werden. Was sehr schade für die Region ist, denn die ist eigentlich gut genutzt worden“, bedauert Götz Ahmelmann, Geschäftsführer der Mitteldeutschen Flughafen AG, die Entscheidung der Airline.

Rund 20.000 Passagiere verliert der Leipziger Flughafen nach Schätzungen Ahmelmanns damit, und neben der Verbindung nach London fallen weitere Strecken weg. Das hat Folgen: „Wir sehen gerade in den grenznahen Bereichen, dass die Menschen zunehmend abwandern. Und das ist in unserem Falle Richtung Osten, nach Polen, nach Tschechien, zu Flughäfen, wo deutlich günstigere Preise angeboten werden können“, so Ahmelmann im Gespräch mit Plusminus. Heißt: Statt von Leipzig oder Dresden fliegen die Menschen nun eher von Prag.

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Billig-Airlines ziehen sich zurück

Ryanair ist im Übrigen nicht die einzige Airline, die sich zurückzieht – auch Condor, WizzAir und Easyjet wollen ihr Angebot auf dem deutschen Markt reduzieren. Als Gründe geben die Airlines die hohen Kosten in Deutschland an. Wichtigster Kostentreiber dabei ist aus ihrer Sicht die Luftverkehrssteuer. Sie fällt bei Flügen in und aus Deutschland an. Je nach Entfernung des Ziels werden zwischen 15,53 Euro und 70,83 Euro fällig.

Allein seit der Pandemie hat sich die Abgabe hierzulande mehr als verdoppelt. Für einen Kurzstreckenflug von einem deutschen Flughafen zahlen Airlines laut Berechnungen des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften BDF bei 150 Passagieren 2.330 Euro. In Athen sind es dagegen nur 1.800 Euro. In Zürich, Madrid und Istanbul beispielsweise fällt gar keine Steuer an.

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Schweden schafft Steuer wieder ab

„Die Airlines haben in Europa 600 Airports zur Auswahl, die sie von A nach B verknüpfen können. Da muss kein deutscher Flughafen dabei sein“, betont Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV. Als solcher vertritt er die Interessen der deutschen Airports. Im Gespräch mit Plusminus führt er Schweden als Beispiel an. Das Land steht im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit noch schlechter da als Deutschland – hier wurden laut SRS-Analyser-Daten im ersten Halbjahr 2024 nur 74 Prozent der Sitzplätze angeboten.

Um die Luftfahrt wieder zu stärken, wird dort nun zum Jahreswechsel eine der Luftverkehrssteuer ähnliche Abgabe wieder abgeschafft. „Und sofort haben Airlines gesagt: Prima, wir kommen zurück nach Schweden“, so Beisel. In den Planungen der schwedischen Flughäfen sehe man für Januar eine „deutliche Nachfragesteigerung von ungefähr zehn Prozent. Das würden wir uns in Deutschland wünschen.“

Kritik von Umweltorganisationen

Ganz anders sieht man das bei der Umweltorganisation Germanwatch. „Die geplante Abschaffung der Luftverkehrssteuer in Schweden bedauern wir genau wie unsere schwedischen Kollegen. Wir halten das für einen Rückschritt, für ein falsches Signal an die Akteure im Luftverkehrssektor und an die Konsumenten“, sagt Anja Köhne. Sie ist Expertin für klimaneutralen Luftverkehr und warnt vor einem ähnlichen Schritt in Deutschland.

Wenn im kommenden Jahr eine neue Bundesregierung gewählt wird, dürften die Rufe nach einer Abschaffung der Luftverkehrssteuer jedenfalls wieder lauter werden – und sich vor allem an die in Umfragen derzeit stärkste Partei, die CDU, richten. Doch die scheint sich damit im Detail noch nicht beschäftigt zu haben – weder im neuen Grundsatzprogramm steht etwas dazu, noch äußert sich die Partei auf mehrfache Plusminus-Anfrage.

Hohe Kosten für Sicherheitskontrollen

Doch es ist nicht nur die Luftverkehrssteuer, die den Luftverkehr hierzulande belastet. Hinzu kommen die Flugsicherungs- und die Luftsicherheitsgebühren. Mit den Luftsicherheitsgebühren werden beispielsweise die Sicherheitskontrollen der Passagiere an den Flughäfen bezahlt. Ein Kostenpunkt, der vom Staat an die Airlines weitergegeben wird und eine erhebliche Belastung darstellt.

„Zum 1. Januar steigen die Gebühren für beispielsweise die Sicherheitskontrolle an den Flughäfen erneut um 50 Prozent. Da merkt man: Das hat nichts mehr mit Inflation zu tun. Das sind eklatante Steigerungen“, betont Jens Bischof. Er ist Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) und repräsentiert die Interessen der Airlines. Aus seiner Sicht machen gerade diese Kostenpunkte das „Fliegen unrentabler“.

Auch für den ARD-Luftfahrtexperten Michael Immel ist es nicht nachvollziehbar, dass diese Kosten an Airlines und damit an die Passagiere weitergegeben werden: „Wir haben hier eine Hoheitsaufgabe. Auch an Bahnhöfen ist die Bundespolizei unterwegs und sorgt für Sicherheit. Dafür muss ich als Kunde nichts zahlen. Anders hier am Flughafen: Da wird eine Gebühr erhoben, und die landet am Ende dann auf meinem Ticketpreis.“ Das alles mache Fliegen teurer.

Verliert Frankfurt an Bedeutung?

Und gefährde den Standort Deutschland, der mit dem Flughafen Frankfurt/Main ein wichtiges Drehkreuz im internationalen Luftverkehr hat. „Frankfurt steht in einem Wettbewerb zu Istanbul, zu Doha, zu Dubai und anderen großen Airports dieser Welt. Zwei von drei Passagieren hier steigen nur um. Die kommen vielleicht aus Amerika und wollen nach Asien, könnten aber genauso gut auch in Istanbul umsteigen“, so Immel.

Auch Ralf Beisel vom ADV betont: „Es ist ein alarmierendes Zeichen, wenn man sich anschaut, dass ein Frankfurter Flughafen mit Auslandsbeteiligungen an anderen Airports mehr Spaß hat als am wichtigen Standort Frankfurt am Main. Das muss uns wachrütteln.“ Er verweist dabei auf die jüngst veröffentlichten Neun-Monats-Zahlen des Fraport-Konzerns: Während der Frankfurter Flughafen erneut 14 Prozent weniger Passagiere verzeichnete als 2019, gab es an anderen Standorten wie in Griechenland Passagierrekorde.

Wie es mit dem Luftfahrtstandort Deutschland weitergeht, das liegt auch in der Hand einer neuen Bundesregierung. Ihre Aufgabe wird es auch sein, einen Ausgleich zwischen Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit zu finden. Zumal ab kommendem Jahr auch eine Beimischquote für nachhaltige Kraftstoffe in der EU gilt. Da diese nachhaltigen Kraftstoffe aber deutlich teurer sind als herkömmliches Kerosin, könnte das das Fliegen weiter verteuern.

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