Am 5. November wählen die USA einen neuen Präsidenten. Ob Kamala Harris oder Donald Trump ins Weiße Hause einzieht, wird am Wahlabend aller Voraussicht nach aber noch nicht feststehen. Umfragen gehen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus. Sollte es ähnlich knapp wie bei der Wahl vor vier Jahren werden, könnten die Wählerinnen und Wähler Tage oder sogar Wochen auf das Ergebnis warten müssen.
Joe Biden stand 2020 erst vier Tage nach der Wahl als Sieger fest. Beim Wahlsieg von George W. Bush über Al Gore im Jahr 2000 dauerte es sogar über einen Monat, weil die Stimmzettel im damals wahlentscheidenden Bundesstaat Florida per Hand erneut ausgezählt werden mussten. Bei einem relativ eindeutigen Ergebnis kann aber auch schon in den frühen Morgenstunden US-Zeit ein Gewinner feststehen, wie es zum Beispiel bei Trumps Sieg vor acht Jahren der Fall war.
Keine Prognose, keine Hochrechnungen
Anders als in Deutschland gibt es keine Prognose beim Schließen der Wahllokale und auch keine Hochrechnung während der Auszählung. Deutet sich allerdings aufgrund von historischen Ergebnissen und Vorwahlumfragen an, dass einem Kandidaten der Sieg in einem Bundesstaat kaum noch zu nehmen ist, dann rufen die großen US-Fernsehsender einen Gewinner aus. Diese Aussagen gelten als sehr verlässlich, die Sender unterhalten eigene sogenannte Decision Desks mit teils jahrzehntelang erfahrenen Experten.
Ein weiterer Unterschied zu Deutschland ist, dass es je nach Bundesstaat oft sehr unterschiedliche Auszählungsmodalitäten gibt: mit Computern oder nur auf Papier. Bei sehr engen Entscheidungen sehen die meisten Bundesstaaten eine manuelle Nachzählung vor. In den wahlentscheidenden Staaten, den sogenannten Swing States, gibt es außerdem große Unterschiede bei der Auszählung von per Post eingegangenen Stimmzetteln.
Vor vier Jahren, mitten in der Corona-Pandemie, hatten mehr Wählerinnen und Wähler als jemals zuvor per Briefwahl abgestimmt, was in einigen Staaten zu erheblichen Verzögerungen bei der Auszählung führte. Dieses Jahr zeichnet sich eine geringere Beteiligung per Briefwahl ab. Einige US-Staaten haben außerdem Maßnahmen verabschiedet, mit denen sie die Auszählung beschleunigen wollen.
Mindestens 270 Wahlleute müssen Kamala Harris oder Donald Trump auf sich vereinigen, wenn sie Präsidentin oder Präsident der USA werden wollen. Dabei kommt es nicht auf die Mehrheit in den gesamten USA an. Die Wahlleute werden vielmehr in den einzelnen US-Bundesstaaten bestimmt.
Der Ausgang kann in den meisten Bundesstaaten verlässlich vorhergesagt werden. Sieben aber gelten 2024 als besonders umkämpft und könnten daher wahlentscheidend sein: Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin. Einen Überblick über die Swing States gibt es hier.
Viele Staaten, viele Regeln
Einer der wichtigsten Swing States ist Pennsylvania mit 19 Wahlleuten. Anders als in vielen anderen Bundesstaaten darf dort mit der Auswertung der Briefwahlstimmen erst am Wahltag um 07.00 Uhr morgens begonnen werden.
Auch in Wisconsin darf vor dem Morgen des Wahltags nicht ausgezählt werden. Zusätzlich gibt es dort die Besonderheit, dass viele der großen Städte die per Post eingegangenen Stimmzettel zur Bearbeitung an einen zentralen Ort liefern. Das kann dazu führen, dass erst in den frühen Morgenstunden des darauffolgenden Tags diese Teilergebnisse eintrudeln.
Vor dem Wahltag darf in North Carolina zwar schon mit der Prüfung der bereits vorliegenden Briefwahlstimmen begonnen werden. Stimmzettel, die etwa von im Ausland stationierten Militärangehörigen erst am Wahltag eingehen, werden aber erst im Anschluss an den Wahltag ausgewertet. Vor vier Jahren dauerte die Auszählung zehn Tage, auch dieses Mal könnte es mehr als eine Woche dauern.
In Georgia wiederum werden Stimmzettel aus dem Ausland sogar noch drei Tage nach der Wahl akzeptiert, wenn sie spätestens am 5. November, also dem Wahltag, abgestempelt wurden.
Führungswechsel und Betrugsvorwürfe
Besondere Brisanz haben die unterschiedlichen Regeln bei der Auszählung vor allem, weil tendenziell mehr Demokraten per Post wählen als Republikaner. Außerdem liegen die Demokraten in Großstädten häufig vorn. Dort dauert die Auszählung oft länger als in den ländlicheren Gegenden, wo die Republikaner stärkere Unterstützung haben.
Das führte 2020 dazu, dass Trump in mehreren entscheidenden Staaten zunächst einen Vorsprung hatte. Über Stunden und teils Tage hinweg holte Biden dann auf und erzielte in einigen Staaten noch eine hauchdünne Mehrheit, zum Beispiel in Georgia und Arizona.
Trump hatte deshalb 2020 noch in der Wahlnacht behauptet, er sei uneinholbar vorn und habe gewonnen, obwohl noch längst nicht alle Stimmen gezählt waren. Er und seine Unterstützer sprachen von Wahlbetrug und leiteten in den betroffenen Staaten juristische Schritte ein. Gerichte fanden jedoch keine Belege für die „gestohlene Wahl“, über die sich das Trump-Lager seit vier Jahren beklagt.
Wenig Vertrauen in die Wahl
Umfragen zufolge liegen Trump und Harris in allen Swing States fast gleichauf. Trifft das zu, ist davon auszugehen, dass Trump auch dieses Jahr zunächst vorne liegen könnte – unabhängig davon, ob dieser Vorsprung sich letztlich bestätigt. Beobachter rechnen damit, dass Trump und die Republikaner erneut versuchen werden, das Wahlergebnis anzuzweifeln, sollte Harris gewinnen.
Bei den Anhängern des Ex-Präsidenten würde das vermutlich auf Unterstützung stoßen. Mehrere Umfragen aus den letzten Jahren fanden heraus, dass etwa 30 Prozent der Amerikaner den Wahlen kein Vertrauen schenken.
Beide Parteien erwarten Berichten zufolge juristische Auseinandersetzungen nach der Wahl und haben bereits Teams von Anwälten zusammengestellt. Den USA könnten nach der Wahlnacht also unruhige Tage bevorstehen, bis einerseits die Stimmen ausgezählt sind und andererseits klar ist, wie das Trump-Lager auf das Ergebnis reagiert.