Verdacht auf Geheimnisverrat bei „Taurus“-Sitzung

Von | 16. März 2024

Eine „Taurus“-Lieferung an die Ukraine ist offenbar komplizierter als bekannt – und könnte Deutschlands Verteidigungsfähigkeit schwächen. Das berichten Medien unter Berufung auf den Verteidigungsausschuss. Dessen Mitglieder wittern Geheimnisverrat.

In der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses zur möglichen Lieferung von „Taurus“-Lenkflugkörpern an die Ukraine könnte es Medienberichten zufolge einen Geheimnisverrat gegeben haben. Konkret sollen aus dem geheimen Teil der Sitzung Informationen an das Portal t-online weitergegeben worden sein.

Nicht genügend Anlagen zu Zielplanung

Inhaltlich geht es dabei um technische Details zur Zieldatenplanung der Raketen. Generalinspekteur Carsten Breuer erklärte demnach vor dem Ausschuss, dass die Verwendung des „Taurus“ komplizierter ist als öffentlich bekannt. Dazu bräuchte man hohe und komplexe Datenmengen, die offenbar von speziellen technischen Anlagen aufbereitet werden müssen. Diese technischen Anlagen gebe es in der Bundeswehr aber nur in begrenztem Maße.

Würden diese an die Ukraine mitgeliefert, stünden sie der Bundeswehr nicht mehr zur Verfügung – und könnten also die deutsche Verteidigungsfähigkeit nachhaltig schwächen, sagte Breuer laut dem Bericht. Es gehe um „elementare Fragen der nationalen Sicherheit“, berichtet dort ein Insider.

Leak stützt Kanzler-Kurs

Die Argumentation mit den Sicherheitsinteressen Deutschlands wäre ein weiterer, bisher nicht öffentlich genannter Grund für die ablehnende Haltung von Kanzler Olaf Scholz gegenüber einer Lieferung an die Ukraine. Scholz argumentiert bisher vor allem damit, dass eine Zielkontrolle – die den Einsatz gegen russisches Territorium ausschließen soll – nur mit Hilfe von Bundeswehrsoldaten möglich sein könnte. Damit könnte Deutschland aber zur direkten Kriegspartei werden. Allerdings widersprechen Bundeswehroffiziere und auch Politiker der Ampelkoalition dieser Darstellung.

Die durchgestochenen Informationen würden also zunächst einmal die Position des Kanzlers stützen, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Intern werde daher auch der Verdacht geäußert, dass die Informationen von Unterstützern des Kanzlers weitergegeben worden sein könnten.

Zugleich sei damit ein möglicher Ringtausch mit Großbritannien obsolet, denn auch in diesem Fall müssten die Daten-Anlagen ja abgegeben werden. Vor allem die Grünen hatten diese Möglichkeit zuletzt wieder ins Spiel gebracht. Dabei sollen die Briten „Taurus“ erhalten und im Gegenzug mehr Lenkflugkörper vom Typ „Storm Shadow“ an die Ukraine liefern.

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Strack-Zimmermann spricht von „Geheimnisverrat“

Das Durchstechen der Informationen zum „Taurus“ könnte indes ein Nachspiel haben. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, kündigte konsequente Schritte wegen eines möglichen Geheimnisverrats an. Sie sagte der „Süddeutschen Zeitung“, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas werde umgehend informiert und das Ganze dann „an die Bundespolizei beziehungsweise Staatsanwaltschaft geben“.

Die FDP-Politikerin fügte hinzu: „Aus einer geheimen Sitzung Informationen preiszugeben, ist ein No-Go.“ Sie hoffe, „dass wir die entsprechende Person ermitteln und diese dann die Konsequenzen zu spüren bekommt“. Nach Informationen des ARD-Haupstadtstudios hat Strack-Zimmermann inzwischen Anzeige wegen Geheimnisverrats erstattet. Auch der Unions-Politiker Johann Wadephul spricht sich für ein Verfahren wegen Geheimnisverrats aus.

Die Ausschusssitzung war am vergangenen Montag als Reaktion darauf angesetzt worden, dass es einen russischen Lauschangriff auf eine Schalte von vier Bundeswehr-Offizieren gegeben hatte. In der abgehörten Besprechung hatten sie den möglichen „Taurus“-Einsatz durch die ukrainische Armee erörtert. Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius war zugegen.

Gibt es Geheimwissen zum „Taurus“?

In einer weiteren Bundestags-Abstimmung zu „Taurus“-Lieferungen, die die Union am Mittwoch anberaumt hatte, hatte Scholz dann dem CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen vorgeworfen, beim Thema „Taurus“ über Geheimwissen zu verfügen, über das aber nicht offen gesprochen werden könne. „Was mich aber ärgert, sehr geehrter Abgeordneter, lieber Norbert, dass du alles weißt, und eine öffentliche Kommunikation betreibst, die darauf baut, dass dein Wissen kein öffentliches Wissen ist. Ich glaube, das sollte in der Demokratie nicht der Fall sein“, sagte Scholz.

Röttgen sagte am Donnerstag, er habe „kein Sonderwissen“ über den Lenkflugkörper. Scholz habe mit dem Vorwurf aber „ein neues Thema in die Debatte gebracht“, mit Blick darauf, dass es ein solches Wissen offenbar gebe.

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