Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensykj hat in seiner allabendlichen Ansprache an die schweren Kämpfe im Osten und Süden des Landes erinnert. „Die Besatzer versuchen mit aller Kraft, unsere Jungs aufzuhalten. Die Angriffe sind sehr brutal“, sagte Selenskyj in seiner nächtlichen Videoansprache.
Er verwies dabei auf mehrere Zentren im Osten, in denen die Kämpfe toben. „Im Süden ist alles schwierig. Aber was auch immer der Feind unternimmt, es ist die ukrainische Stärke, die dominiert.“
Gegenoffensive kommt nur mühsam voran
Die ukrainische Armee hat im Juni mit einer lange erwarteten Gegenoffensive begonnen, sie hat aber bislang nur bescheidene Fortschritte verzeichnet. Derzeit werde unter anderem in Kupiansk, Lyman und Bachmut sowie an der südlichen Front gekämpft, sagte Präsident Selenskyj.
Gefährliche Rückeroberung in der Ukraine
Im Spätsommer und Herbst 2022 hatte die Ukraine relativ schnelle Geländegewinne rund um Cherson und Charkiw gemacht. Aber inzwischen sind die russischen Stellungen besser gefestigt. Kiew hatte davor gewarnt, dass die Gegenoffensive sich hinziehen könne und seine Verbündeten um zusätzliche Waffenlieferungen gebeten.
Russland meldet Angriff auf Schwarzmeerflotte
Russland hat nach eigenen Angaben einen nächtlichen Angriff auf seine Schwarzmeerflotte abgewehrt. Die ukrainischen Streitkräfte hätten in der Nacht „unter Verwendung zweier Schiffsdrohnen“ versucht, den Marinestützpunkt im südrussischen Noworossijsk anzugreifen, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau im Onlinedienst Telegram. Die Drohnen seien von der russischen Marine erkannt und zerstört worden, hieß es weiter.
Noworossijsk ist ein wichtiger Hafen für Öltanker und liegt am Ende einer etwa 1500 Kilometer langen Pipeline, die Öl aus Kasachstan und mehreren russischen Regionen liefert. Ein Großteil des für den Export bestimmten kasachischen Öls wird über diese Pipeline transportiert.
Wie das russische Verteidigungsministerium weiter mitteilte, schossen russische Soldaten in der Nacht zum Freitag auch 13 Drohnen über der von Moskau völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel Krim ab.
„Widerwärtige“ Zustände in Rekrutierungszentren
Wolodymyr Selensky ging in seiner jüngsten Videoansprache nicht nur auf die Lage an den Frontabschnitten ein, sondern auch auf die Situation in den ukrainischen Rekrutierungszentren. Er habe ein langes Gespräch mit Innenminister Ihor Klymenko und dem Leiter des ukrainischen Sicherheitsdienstes, Wasyl Maljuk, zu dem Thema geführt. Eine Untersuchung der Rekrutierungszentren in der Ukraine hätte zahlreiche empörende Missstände aufgezeigt. „Sie sind einfach widerwärtig“, sagte Selenskyj.
In den Rekrutierungszentren sollten in Zukunft Menschen arbeiten, die selbst erfahren hätten, was Krieg bedeute und die den Wert des Schutzes der Ukraine verstünden. Der Leiter eines Rekrutierungszentrums in Odessa war im vergangenen Monat wegen Korruption verhaftet worden. Ein schärferes Vorgehen gegen Korruption ist eine der Bedingungen für einen Beitritt der Ukraine zur EU.
USA werfen Russland „Erpressung“ vor
US-Außenminister Anthony Blinken hat Russland angesichts des Ausstiegs aus dem Getreideabkommen „Erpressung“ vorgeworfen. „Jedes Mitglied der Vereinten Nationen sollte Moskau auffordern, endlich damit aufzuhören, das Schwarze Meer zur Erpressung zu nutzen“, sagte Blinken bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrat zum Thema Ernährungssicherheit. „Es muss endlich Schluss damit sein, die schwächsten Menschen als Druckmittel zu benutzen. Schluss mit diesem ungerechtfertigten, skrupellosen Krieg“, sagte Blinken.
Ukrainische Getreideexporte über Land teuer: Matin Qaim
Vor etwa zwei Wochen war Russland aus dem Getreideabkommen ausgestiegen, das der Ukraine trotz des Krieges den Export von Getreide über das Schwarze Meer ermöglicht hatte. Im vergangenen Jahr waren so fast 33 Millionen Tonnen Getreide aus ukrainischen Häfen ausgeführt worden. Der Ausstieg Russlands aus dem Abkommen hat weltweit zu steigenden Getreidepreisen geführt.
Moskau verlangt seinerseits Garantien für eigene Exporte, unter anderem von Düngemitteln. So lange die „unrechtmäßigen Hindernisse“ bestünden, mit denen der Westen den Export landwirtschaftlicher Produkte aus Russland behindere, sei es unmöglich, Themen der Ernährungssicherheit anzugehen, sagte der russische Vize-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Dmitri Poljanski.
Moskau stuft auch Norwegen als „unfreundlich“ ein
Die russische Regierung hat Norwegen zu einem „unfreundlichen Staat“ erklärt. Der Erlass sieht unter anderem Einschränkungen bei der Beschäftigung russischer Staatsbürger als Botschafts- oder Konsulatsmitarbeiter vor, wie es auf der Webseite der Regierung hieß. Norwegen soll demnach die Höchstzahl an 27 beschäftigten Ortskräften landesweit nicht überschreiten. Die russische Regierung hatte 2021 nach einem Erlass des Präsidenten Wladimir Putin mit der Erstellung einer Liste „unfreundlicher Staaten“ begonnen.
Inzwischen stehen rund 50 Staaten auf der Liste, unter ihnen auch Deutschland, Frankreich, die USA, die Ukraine und die EU als Staatenverbund. Dadurch ist die Arbeit der diplomatischen Vertretungen der jeweiligen Länder deutlich eingeschränkt. Norwegen grenzt im Norden auf knapp 200 Kilometern Länge an Russland. Zudem ist es die Heimat von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Nach einem Spionage-Skandal hatte Norwegen im April 15 russische Diplomaten ausgewiesen. Russland hat als Reaktion darauf den norwegischen Botschafter einbestellt und zehn norwegische Diplomaten des Landes verwiesen.