Kremlchef Wladimir Putin hat bei einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bekräftigt, das Getreideabkommen erst bei Erfüllung aller russischer Forderungen wieder einzusetzen. Zuerst müssten aber die Beschränkungen für den Export von russischen Agrarprodukten aufgehoben werden, sagte Putin bei einer Pressekonferenz in Sotschi am Schwarzen Meer. Er beklagte einmal mehr, dass die westlichen Sanktionen den Export von russischem Getreide, von Dünger und Agrartechnik behindern würden.
Erdogan hatte die Rückkehr zu dem Abkommen zur Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer gefordert. Die Türkei betont immer wieder, dass das Abkommen wichtig für die Versorgung der Welt mit Lebensmitteln sei. Putin forderte für eine Rückkehr zu dem im vorigen Jahr unter Vermittlung der Türkei und der Vereinten Nationen ausgehandelten Abkommen, die Sanktionen zu lockern.
Putin will afrikanische Staaten mit Getreide beliefern
Erdogan sprach sich zudem gegen Alternativen zum Abkommen über ukrainische Getreideexporte aus. „Die alternativen Vorschläge, die auf die Tagesordnung gesetzt wurden, können kein nachhaltiges, sicheres und beständiges Modell bieten, das wie die Schwarzmeerinitiative auf der Zusammenarbeit zwischen den Parteien beruht“, sagte Erdogan.
Putin erklärte, dass Moskau kurz vor dem Abschluss einer Vereinbarung über kostenlose Getreideexporte aus Russland in sechs afrikanische Länder stehe. Russland werde auch die Kosten für Lieferung und Logistik übernehmen, fuhr er fort. „Die Lieferungen werden in den nächsten Wochen beginnen.“
Erdogan bleibt optimistisch
Die Vereinten Nationen und die Türkei bereiten nach Angaben von Erdogan neue Vorschläge für das Getreide-Abkommen vor. Er glaube, dass eine Lösung bald erreicht werden könne, sagte Erdogan nach dem Treffen mit Putin.
Es war das erste Treffen der beiden Staatschefs seit knapp einem Jahr. Der türkische Präsident setzt sich als Vermittler im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein und unterhält zu beiden Konfliktparteien enge Kontakte. Das NATO-Mitglied Türkei beteiligt sich nicht an den Sanktionen des Westens gegen Russland. Russland hatte das Getreideabkommen im Juli auslaufen lassen.
Verteidigungsminister Resnikow tritt zurück
Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow hat formal um seine Entlassung ersucht. „Gemäß der Entscheidung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj habe ich meinen Rücktritt bei der Obersten Rada der Ukraine eingereicht“, schrieb der Minister bei Facebook. Er sei bereit, dem Parlament Rechenschaft über die geleistete Arbeit abzulegen.
Selenskyj hatte den Wechsel in seinem wichtigsten Ministerium damit begründet, dass frischer Wind benötigt würde. „Das Ministerium braucht neue Ansätze und andere Formate der Interaktion sowohl mit dem Militär als auch mit der Gesellschaft als Ganzes“, sagte der Präsident in seiner Video-Ansprache am Sonntagabend. Er werde das Parlament noch in dieser Woche bitten, Resnikow durch Rustem Umerow zu ersetzen.
Ein Finanzexperte an der Spitze des Verteidigungsministeriums
Der Unternehmer und Investor Umerow ist krimtatarischer Abstammung und setzt sich seit Jahren für eine Befreiung der bereits 2014 von Russland völkerrechtswidrig annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim ein. Als neuer Verteidigungsminister müsste er sich vor allem um die Finanzierung der Armee und um deren Ausstattung mit Waffen und Munition sowie um die Versorgung kümmern.
Rustem Umerow war laut ukrainischen Medien Stipendiat eines US-Programms für künftige Führungskräfte (FLEX) und gilt als Experte für Finanzwirtschaft. Nach seiner Zeit als Abgeordneter im ukrainischen Parlament von 2019 bis 2022 wurde er vor einem Jahr zum Chef der staatlichen Vermögensverwaltung ernannt.
Militärhilfe im Wert von 100 Milliarden US-Dollar
In seinem letzten Interview als Verteidigungsminister bezifferte Resnikow die seit Kriegsbeginn von den westlichen Verbündeten der Ukraine geleistete Militärhilfe auf rund 100 Milliarden US-Dollar (rund 93 Milliarden Euro). Fast 60 Milliarden US-Dollar stellten alleine die USA bereit. Ferner bekräftigte Resnikow, dass die vom Westen versprochenen F-16-Kampfjets im Frühjahr im Frontgebiet einsatzbereit sein sollen.
Darüber hinaus erhält die Ukraine auch Milliardenhilfen des Westens, um etwa ihren Staatshaushalt zu finanzieren.
Taurus-Debatte: Strack-Zimmermann nennt den Kanzler „verantwortungslos“
Die deutsche Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat in der Diskussion um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) scharf kritisiert. „Auf was wartet der Bundeskanzler in Gottes Namen?“ schrieb Strack-Zimmermann im Online-Dienst „X“ (vormals Twitter). Scholz „alleine blockiert diese Entscheidung innerhalb der Koalition. Das ist verantwortungslos“, fügte sie hinzu.
Strack-Zimmermann ist Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag und führendes Mitglied der FDP, einer der drei Regierungsparteien.
In der Ampelkoalition drängen FDP und Grüne die Kanzlerpartei SPD seit längerem dazu, die Marschflugkörper mit großer Reichweite und Zerstörungskraft zu liefern. Die Ukraine begründet ihren Bedarf mit der Notwendigkeit, russische Logistik und die Nachhut zu zerstören. Ein aus Reihen der SPD angebrachtes Gegenargument ist eine drohende Eskalation des Konflikts, weil das Waffensystem mit seiner Reichweite von mehr als 500 Kilometern auch russisches Staatsgebiet erreichen könnte.
Moskau sagt Militärübung ab
Russland sagt seine geplante große Sapad-Militärübung in diesem Jahr wegen des Krieges in der Ukraine ab. Das bestätigte Verteidigungsminister Sergej Schoigu gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur RIA. Das britische Verteidigungsministerium erklärte in der vergangenen Woche, es gehe davon aus, dass Russland das Militärmanöver wegen Truppenmangels streichen werde. Ursprünglich war die Übung für September angesetzt. Russland hatte das Manöver Sapad (russisch für Westen) zuletzt vor zwei Jahren gemeinsam mit Belarus abgehalten. Es fand unter anderem in der Nähe der Grenzen zu EU-Mitgliedsländern statt.
Russische Luftabwehr schießt ukrainische Drohnen ab
Russland hat nach eigenen Angaben zwei ukrainische Drohnen abgefangen. „Ukrainische unbemannte Luftfahrzeuge wurden in der Luft über dem Schwarzen Meer nahe der Krimhalbinsel und über dem Territorium der Region Kursk von Luftabwehrsystemen zerstört“, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau. Die Ukraine habe die Drohnen um etwa 0.00 Uhr MESZ gestartet, heißt es.
Die Krim war zuletzt am Samstag angegriffen worden. Russland zerstörte drei ukrainische Schiffsdrohnen beim Versuch, die Brücke zwischen der Halbinsel und dem russischen Festland anzugreifen. Die Grenzregion Kursk war am Freitag attackiert worden. In der Stadt Kurtschatow wurden nach Angaben des örtlichen Gouverneurs durch zwei Drohnen ein Wohn- und ein Verwaltungsgebäude beschädigt.
Russische Angriffe auf ukrainische Hafeninfrastruktur
Russland hat die ukrainische Hafeninfrastruktur am Schwarzen Meer und an der Donau erneut mit einer massiven Angriffswelle überzogen. Bei dem dreieinhalbstündigen Drohnenangriff auf den Donau-Hafen Ismajil in der südukrainischen Oblast Odessa wurden Lagerhäuser und Produktionsgebäude beschädigt, wie der zuständige Gouverneur Oleh Kiper über den Kurznachrichtendienst Telegram mitteilte.
Etwa 17 Drohnen seien über Ismajil und der Umgebung von der Luftabwehr abgeschossen worden, aber einige hätten ihr Ziel getroffen, heißt es weiter. Zudem hätten Trümmerteile abgeschossener Drohnen mehrere Gebäude der Hafeninfrastruktur in Brand gesetzt. Todesopfer oder Verletzte gebe es nach ersten Erkenntnissen aber nicht.
Bei dem Angriff seien Drohnen auch auf rumänischem Territorium niedergegangen und dort detoniert, sagte ein Sprecher des ukrainischen Außenministeriums. Das NATO-Land Rumänien widerspricht jedoch: Man habe die Lage während der nächtlichen russischen Drohnenangriffe „in Echtzeit“ beobachtet, erklärte das Verteidigungsministerium in Bukarest. Es werde „kategorisch“ bestritten, dass russische Drohnen rumänisches Staatsgebiet getroffen hätten.
Selenskyj telefoniert mit Macron
Die Getreidelieferungen aus der Ukraine waren auch Thema im Gespräch des ukrainischen Präsidenten mit seinem französischen Amtskollegen Emmanuel Macron. „Wir haben auch Möglichkeiten besprochen, das Funktionieren des Getreidekorridors sicherzustellen und die Sicherheit der Region Odessa zu erhöhen“, sagte Selenskyj anschließend in den sozialen Medien. Nach ukrainischen Angaben haben zuletzt vier Schiffe den temporären Seekorridor im Schwarzen Meer passiert. Er wurde letzten Monat eingerichtet, um eine sichere Schifffahrt zu gewährleisten.
Selenskyj erklärte außerdem in einer Videoansprache, dass er mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron eine „sehr wichtige Vereinbarung über die Ausbildung unserer Piloten in Frankreich“ getroffen habe. Er und Macron hätten auch darüber gesprochen, was Frankreich zum Schutz der Stadt Odessa und der dortigen Region beitragen könne.
Britisches Ministerium: Russland setzt Cyberkrieg fort
Russland setzt nach britischer Einschätzung auch seinen Cyberkrieg gegen die Ukraine fort. Die russische Hackergruppe „Sandworm“ habe eine Schadsoftware namens „Infamous Chisel“ eingesetzt, heißt es aus dem Verteidigungsministerium in London. Sie ermögliche den dauerhaften Zugriff auf kompromittierte Android-Geräte und das Abgreifen von Daten. Damit würden auch Anwendungen des ukrainischen Militärs ins Visier genommen.
Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London Desinformation vor.
Keine Beweise für südafrikanische Waffenlieferung
In Südafrika hat eine Untersuchungskommission keine Beweise dafür gefunden, dass das Land im Dezember Waffen oder Munition auf ein russisches Schiff verladen hat. Präsident Cyril Ramaphosa sagte, keine der Anschuldigungen habe sich als wahr erwiesen und diejenigen, die die Vorwürfe erhoben hätten, könnten ihre Behauptungen nicht belegen. Die Regierung werde in Kürze die Ergebnisse der Kommission veröffentlichen – aufgrund „vertraulicher Militärinformationen“ aber nicht den vollständigen Bericht, sagte der Präsident bei einer Ansprache an die Nation.
Im Mai hatte der US-Botschafter in Pretoria Südafrikas Regierung vorgeworfen, Waffen und Munition über ein mit Sanktionen belegtes russisches Schiff an Russland geliefert zu haben. Offiziell hat sich Südafrika in dem Konflikt für neutral erklärt. Ramaphosa leitete auf Drängen der Opposition im Parlament eine Prüfung der Angelegenheit ein.
UN-Kommission dokumentiert Kriegsverbrechen
Die UN-Untersuchungskommission zum Ukraine-Krieg hat ihre schweren Vorwürfe gegen Russland bekräftigt. Russische Militäreinheiten und Behörden seien in der Ukraine für Kriegsverbrechen wie vorsätzliche Tötungen, Angriffe auf Zivilisten, rechtswidrige Inhaftierungen, Vergewaltigungen sowie Deportationen verantwortlich, sagte der Vorsitzende der Kommission, Erik Møse, in Kiew.
Die Russen hätten auch Folter in einer weitverbreiteten und systematischen Weise eingesetzt, um Informationen oder Geständnisse zu erpressen oder um die Opfer zu bestrafen. Auch zwei Fälle von Verbrechen auf ukrainischer Seite seien unter die Lupe genommen worden, erklärte Møse bei der zehnten Mission der dreiköpfigen Kommission. Der UN-Menschenrechtsrat hatte die Kommission im März 2022 ins Leben gerufen. Die gesammelten Beweise sollen in möglichen Strafverfahren Verwendung finden.