Mercosur als ein Ausweg für Europa?

Von | 18. Februar 2025

Ob Migrationspolitik oder Handelsbilanz, wenn US-Präsident Donald Trump Interessen durchsetzen will, die er als jene der USA definiert, greift er zu Zöllen. Auf Importe aus den Nachbarländern Kanada oder Mexiko stehen Zölle in Höhe von 25 Prozent auf dem Spiel, auch gegen Europa hat Trump entsprechende Maßnahmen angedroht.

In Europa und Lateinamerika wächst nun die Erkenntnis, auf geopolitsche Herausforderungen mit einer stärkeren Zusammenarbeit zu reagieren. Uruguays Außenminister Omar Paganini warb vor wenigen Tagen in Brüssel dafür, mit der Ratifizierung des EU-Mercosur-Freihandelsabkommens angesichts der protektionistischen Maßnahmen Trumps „ein starkes Signal an die Welt“ zu senden.

EU-Mercosur-Freihandelsabkommen

Ende Dezember hatten die Europäische Union und das südamerikanische Handelsbündnis Mercosur nach mehr als zwei Jahrzehnten Verhandlungen das Freihandelsabkommen für ausgehandelt erklärt.

Wird es ratifiziert, würde ein Handelsraum entstehen, der die 27 Mitgliedsländer der Europäischen Union und die vier südamerikanische Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay umfasst. Zusammen haben sie mehr als 700 Millionen Einwohner und ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund 22 Billionen US-Dollar. Für Bolivien, das dem Mercosur erst im vergangenen Jahr beigetreten ist, gilt das Freihandelsabkommen noch nicht.

Zustand großer Unsicherheit

Die Zollpolitik von Donald Trump hat auch in Lateinamerika Unruhe ausgelöst, sagt Vladimir Rouwinski vom Research Center der Universität Icesi in Cali (Kolumbien) im Gespräch mit DW.

„Es handelt sich um eine Art Schocktherapie mit Zoll-Drohungen, die Trump durchzusetzen versucht. Er lässt den lateinamerikanischen Regierungen nicht viel Handlungsspielraum, und sie fühlen sich unter Druck gesetzt.“

Ein Element dieser Politik sei unter anderem der Zeitdruck, mit dem Trump die Länder konfrontiere.  Europa biete in diesem Kontext eine einmalige Chance für Lateinamerika, so Rouvinski.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht auf dem Mercosur-Gipfel 2024 in Mexiko vor den Flaggen Argentiniens, Uruguays und der EU
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht auf dem EU-Mercosur-Gipfel 2024 in Montevideo, Uruguay, im Dezember 2024Bild: Matilde Campodonico/AP Photo/picture alliance

Große Chance, neue Wege zu beschreiten

Der deutsch-brasilianische Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmer Ingo Plöger sieht in dem Abkommen zwischen dem Mercosur und der EU große Vorteile für beide Seiten.

„Das Abkommen bietet eine große Chance. Es geht darum, das, was vereinbart wurde, auszubauen – im strategischen Interesse sowohl der Europäischen Union als auch des Mercosur“, sagt Plöger. Er verweist darauf, dass zum Beispiel in Brasilien zahlreiche deutsche und europäische Firmen schon aktiv sind und im Rahmen eines Freihandelsabkommens dann eine gute Ausgangsbasis hätten, die Geschäfte auszubauen.

Plakat mit totem Rind auf einem Teller: Protestaktion in Berlin gegen EU-Mercosur-Pakt
Protestaktion in Berlin gegen EU-Mercosur-Pakt – Demonstranten vor der Brasilianischen BotschaftBild: Annette Riedl/dpa/picture alliance

Europa ist zu langsam

Der brasilianische Wirtschaftswissenschaftler, Buchautor und CNN-Kommentator Gilvan Bueno warnt im DW-Gespräch allerdings vor allzu großen Hoffnungen auf eine schnelle europäisch-südamerikanische Zusammenarbeit.

Schließlich habe es 20 Jahre gedauert, bis die EU und der Mercosur das Abkommen ausgehandelt hätten. „Das zeigt uns, dass die Handelspartnerschaft zwischen Europa und Südamerika nicht so schnell zustande kommen wird. Wir haben gesehen, dass es viele Hindernisse gibt“, so Bueno.

Zum einen ist der Ratifizierungsprozess noch nicht abgeschlossen, zum anderen gibt es in Frankreich und den südeuropäischen Ländern Widerstand der Landwirte, die sich auf einen Wettbewerb mit der hocheffizienten brasilianischen Agrarindustrie vorbereiten müssen.

Dies wiederum offenbare, warum Europa an wirtschaftlicher Macht verloren habe, die Vereinigten Staaten eine solche Macht geworden sind und China so schnell wachsen konnte. „China ist in der Lage, Vereinbarungen schneller zu treffen, und die Vereinigten Staaten haben eine dominante Währung.“

Bei allen Chancen, die das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen mittelfristig bietet: als Ausgleich für die aktuellen Zollstreitigkeiten zwischen den USA und dem Rest der Welt kommt es zu spät. Mit dem Inkraftsetzen des Vertrages ist wohl frühestens 2026 zu rechnen.

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