Istanbuls Ex-Bürgermeister İmamoğlu muss sich vor Gericht verantworten

Von | 11. April 2025

Die beiden Prozesse gegen Ekrem İmamoğlu haben nichts mit seiner Inhaftierung zu tun. In einem bereits laufenden Verfahren geht es um Angebotsmanipulation. Als Bürgermeister des Istanbuler Bezirks Beylikdüzü soll er in den 2010er-Jahren ungeeignete Unternehmen beauftragt haben.

In einem anderen Verfahren ist heute Prozessauftakt: İmamoğlu soll den Oberstaatsanwalt Istanbuls, Akin Gürlek, und seine Familie beleidigt haben. In beiden Verfahren drohen mehrjährige Haftstrafen und Politikverbot. İmamoğlu und seine Partei CHP weisen die Vorwürfe zurück.

„Was wir wollen, ist einfach Demokratie“

Nach einer Demonstrationspause in der vergangenen Woche wegen der Bayram-Feiertage hat die CHP wieder zu Kundgebungen aufgerufen – jedes Wochenende in einer anderen Stadt, jeden Mittwoch in Istanbul. Im Stadtteil Şişli demonstrierten diesen Mittwoch mehr als Zehntausend Menschen.

„Wir haben darauf gewartet“, sagte ein junger Demonstrant. „Bei Protesten, die nicht von der CHP organisiert werden, ist es gefährlich. Viele Freunde von mir sind festgenommen worden.“ Eine junge Frau sagte: „Wir sind hier, um die Gerechtigkeit zurückzubringen. Was wir wollen, ist einfach Demokratie, denn die Türkei wird gerade zu einer Autokratie.“

CHP-Chef ruft zum Durchhalten auf

CHP-Parteichef Özgür Özel war am vergangenen Wochenende mit großer Mehrheit im Amt bestätigt worden. In Şişli sagte er, die Demonstrationen hätten einen Effekt auf Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan.

„Er ist sehr verängstigt! Aber ich möchte ihn noch mal erinnern: Wir werden nicht aufhören, bis wir unseren Ekrem-Bürgermeister zu unserem Präsidentschaftskandidaten machen“, so Özel.

Erdoğan: CHP ist Verkörperung von Faschismus

Die CHP fordert vorgezogene Neuwahlen und die Freilassung İmamoğlus, den sie in Abwesenheit zum Präsidentschaftskandidaten gewählt hat.

Zuletzt hatte die Partei auch Boykott-Aufrufe gegen regierungsnahe Unternehmen unterstützt. Die Regierung reagierte empfindlich – wie Staatspräsident Erdoğan in seiner Fraktionsrede: „Das Verständnis der CHP von Freiheit gilt nur für sie selbst und eine Handvoll Eliten. Die CHP ist die Verkörperung des Faschismus in Fleisch und Blut.“

Erdoğan hat CHP-Chef Özel außerdem verklagt, weil dieser ihn als Kopf einer Junta bezeichnet hatte. Diese Aussage wiederholte Özel in Şişli prompt. Erdoğan stecke hinter der Verhaftung İmamoğlus, denn er habe Angst vor freien Wahlen.

Investigative Journalisten festgenommen

Unterdessen wurden in Istanbul erneut Journalisten festgenommen. Die investigativen Reporter Timur Soykan und Murat Ağırel hatten zur Festnahme İmamoğlus recherchiert und dabei Rechtsverstöße aufgedeckt. Die Polizei nahm sie in den frühen Morgenstunden zu Hause fest, genau wie Studierende, die Präsident Erdoğan auf Plakaten als Diktator bezeichnet hatten.

Am Abend wurden etwa 100 junge Demonstranten aus dem Hochsicherheitsgefängnis Silivri freigelassen. Noch knapp 200 sitzen in Haft, insgesamt angeklagt wegen Teilnahme an verbotenen Demonstrationen sind mehr als 800.

Großkundgebung in Samsun angekündigt

Auf der Demo im Istanbuler Stadtteil Şişli blieb alles ruhig. CHP-Chef Özel wandte sich an die Demonstrierenden: „Es gibt Dutzende von Büchern darüber, wie autoritäre Führer in die Welt kommen und was sie der Welt und ihren Ländern antun. Aber es gibt nur ein Buch darüber, wie man sie loswerden kann. Und dieses Buch wird von euch geschrieben.“

Am Wochenende ist eine Großkundgebung in der Stadt Samsun im Nordosten der Türkei angekündigt.

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