Seit Monaten warnen die USA Israel vor einer groß angelegten Bodenoffensive in Rafah im Süden Gazas. US-Regierungskreisen zufolge ist Israel nun auf viele der Bedenken eingegangen und passt die Angriffspläne an.
Israel hat sein umstrittenes militärisches Vorgehen in Rafah im Süden des Gazastreifens Medienberichten zufolge an die Forderungen der verbündeten USA nach begrenzten Einsätzen angepasst. „Man kann durchaus sagen, dass die Israelis ihre Pläne aktualisiert haben. Sie haben viele der Bedenken, die wir geäußert haben, berücksichtigt“, zitierte die Zeitung „Times of Israel“ in der Nacht einen ranghohen Beamten der US-Regierung.
Auch die „Washington Post“ hatte zuvor berichtet, Israel habe nach Gesprächen mit der US-Regierung beschlossen, die Pläne für eine Großoffensive in der an Ägypten grenzenden Stadt aufzugeben und stattdessen in einem begrenzteren Rahmen vorzugehen. Ein früherer Plan, zwei israelische Armee-Divisionen in die Stadt zu schicken, werde nicht weiterverfolgt, berichtete die US-Zeitung unter Berufung auf namentlich nicht genannte US-Beamte
„Konstruktive“ Diskussion mit Israel
Die Nachrichtenagenturen AP und AFP zitierten einen US-Regierungsvertreter, Israel habe die Bedenken der Vereinigten Staaten mit Blick auf das Vorgehen in Rafah im Süden des Gazastreifens berücksichtigt. Es sei eine Diskussion, die fortgesetzt werde, sie sei „konstruktiv“.
Der Regierungsvertreter bezog sich auf Gespräche, die der Nationale Sicherheitsberater im Weißen Haus, Jake Sullivan, am vergangenen Wochenende mit hochrangigen Vertretern Israels geführt hatte, darunter mit Regierungschef Benjamin Netanyahu. Entscheidend sei, was tatsächlich passiere, sagte der Regierungsvertreter. „Wir geben kein grünes Licht für israelische Operationen, das ist nicht unsere Aufgabe.“
Biden sorgt sich um Zivilbevölkerung
In Rafah will Israels Führung die letzten dort vermuteten Bataillone der Terrororganisation Hamas zerschlagen. Rafah ist nach mehr als sieben Monaten Krieg die letzte noch halbwegs intakte Stadt im abgeriegelten Gazastreifen. US-Präsident Joe Biden hat sich öffentlich gegen eine größere Bodenoffensive in Rafah ausgesprochen, bei der nicht die Gewährleistung der Sicherheit der palästinensischen Zivilbevölkerung im Vordergrund stehe.
Seit Anfang Mai führt die israelische Armee trotz internationaler Warnungen eigenen Angaben zufolge „gezielte“ Einsätze am Boden und Luftangriffe in Rafah aus, wo sie die letzten verbleibenden Bataillone der Hamas verortet. Angesichts der Kämpfe zwischen der israelischen Armee und der Hamas waren mehr als eine Million Zivilisten nach Rafah geflohen. Derzeit sollen sich noch rund 300.000 bis 400.000 Zivilisten dort aufhalten.
UN setzen Hilfslieferungen aus
Das UN-Hilfswerk für die Palästinensergebiete (UNRWA) setzte unterdessen am Dienstag die Lebensmittelverteilung in Rafah vorläufig aus. Als Begründung nannte die UN-Einrichtung Lieferengpässe und die Sicherheitslage.
Auch seien seit zwei Tagen keine Hilfsgütertransporter mehr über einen von den USA eingerichteten Behelfshafen mehr angekommen. Das UN-Welternährungsprogramm WFP warnte, das 320 Millionen Dollar teure Behelfshafenprojekt könne scheitern, wenn Israel keine Bedingungen schaffe, unter denen Hilfsgruppen sicher arbeiten können.
Am Freitag seien noch zehn Lastkraftwagen über den von den USA errichteten Pier zu einem Lagerhaus im Zentrum des Gazastreifens gekommen. Am Samstag seien elf Lastwagen zum Lagerhaus aufgebrochen, aber nicht angekommen. Am Sonntag und Montag seien dann gar keine Lieferungen mehr vom Pier gekommen. Das WFP prüfe jetzt Logistik und Sicherheitsmaßnahmen und schaue sich nach alternativen Lieferrouten in Gaza um.
Die US-Regierung wehrte sich gegen Kritik, dass die Verteilung schleppend verläuft. „Man darf auch nicht vergessen, dass es sich um ein Kampfgebiet und eine komplexe Operation handelt“, sagte Pentagon-Sprecher Pat Ryder. Man arbeite etwa daran, alternative Routen für den Transport der Hilfsgüter an Land auszumachen. Ryder betonte, dass das US-Militär an der Verteilung der Lieferungen nicht beteiligt sei.
Grenzübergänge zu Ägypten geschlossen
Medienberichten zufolge hält Ägypten humanitäre Hilfsgüter wegen Israels Vorgehen in Rafah zurück. Der dortige Grenzübergang, über den zuvor Hilfe nach Gaza gelangte, ist nach der Übernahme der Kontrolle auf der palästinensischen Seite durch die israelischen Streitkräfte geschlossen. Damit ist der Grenzübergang Kerem Schalom als Nadelöhr für Hilfsgüter nach Gaza noch wichtiger geworden, doch laut „Politico“ hat Ägypten sämtliche Lieferungen über diese Passierstelle gestoppt. Die Ägypter wollten nicht als Israels Komplizen erscheinen, indem nun stattdessen die Hilfe über Karem Schalom laufe, hieß es.
Ägyptische Beamte hätten die israelische Führung monatelang gedrängt, eine Bodenoffensive in Rafah nicht voranzutreiben, da dies nahe an der ägyptischen Grenze Chaos stiften und die Sicherheit des Landes gefährden würde, hieß es. Auf der ägyptischen Seite des Grenzübergangs Rafah stapelten sich jetzt Hilfsgüter, schrieb die „Times of Israel“. Ägypten hat Medienberichten zufolge angedeutet, es werde den Transport von Hilfsgütern durch Rafah nicht koordinieren, bis die israelischen Truppen abgezogen sind.