In etlichen deutschen Großstädten sind erneut Hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. Zahlreiche Demonstranten zeigten auch Plakate, die sich gegen die Alternative für Deutschland (AfD) richteten. Der Verfassungsschutz hat Teile der Partei als rechtsextrem eingestuft.
In der Hauptstadt Berlin hatten sich nach Polizeischätzungen zwischen 60.000 und 100.000 Menschen am Reichstagsgebäude versammelt, wo dem der Bundestag seinen Sitz hat. Wegen des großen Andrangs erweiterten die Behörden die vorgesehene Fläche und gaben auch die Straße des 17. Juni vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule frei.
Auch an vielen anderen Orten war der Zulauf weit größer als erwartet. In München mussten die Organisatoren nach Rücksprache mit der Feuerwehr eine Kundgebung wegen Überfüllung der gesperrten Straßen vorzeitig beenden. Laut Polizei hatten sich rund 100.000 Teilnehmer versammelt. Die Veranstalter gaben eine doppelt so hohe Zahl an.
In Köln bestätigte die Polizei „mehrere Zehntausend“, in Bremen bis zu 45.000, in Freiburg 25.000 Demonstranten. In Saarbrücken protestierten – ebenfalls nach Polizeiangaben – etwa 13.000, in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden „mehrere Tausend“ und im brandenburgischen Cottbus mindestens 3500 Bürger.
Steinmeier: „Diese Menschen machen uns allen Mut“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte über die Demonstranten, sie stünden auf gegen Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. In einer Videobotschaft erklärte das Staatsoberhaupt: „Diese Menschen machen uns allen Mut.“ Die Zukunft der Demokratie hänge nicht von der Lautstärke ihrer Gegner ab, sondern von der Stärke derer, die sie verteidigten.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wertete die Proteste auch als Hinweis an die Bundesregierung, bessere Arbeit zu leisten. Der Grünen-Politiker sagte dem Deutschlandfunk, die Ampel-Koalition aus seiner Partei, SPD und FDP müsse aufhören, „wie die Kesselflicker“ zu streiten. Denn davon profitiere die AfD. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte Welt-TV, es gehe darum, dass „die Anständigen in diesem Land“ laut, deutlich und klar würden. Die populistischen Kräfte versuchten, die Bundesrepublik kaputtzumachen.
Den Anstoß für die Kundgebungen hatten Berichte über ein Treffen in Potsdam gegeben, an dem neben einzelnen Politikern der CDU und der Werteunion auch mehrere AfD-Vertreter teilgenommen hatten. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte auf der Sitzung im November über Pläne für eine sogenannte „Remigration“, also eine massenhafte Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund, gesprochen. Zuerst hatte das Recherche-Portal „Correctiv“ darüber berichtet.