Bei dem internationalen Großeinsatz gegen die Mafia sind insgesamt 108 Haftbefehle vollstreckt worden. Ein Gericht in der italienischen Hafenstadt Reggio Calabria hatte auf Antrag der Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft die Haftbefehle ausgesprochen. Den Verdächtigen werden Mitgliedschaft in einer mafiösen Vereinigung, Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche sowie andere Delikte vorgeworfen.
Der überwiegende Großteil der Beschuldigten wurde in Italien festgenommen. Allein in Deutschland gab es bisher mehr als 30 Festnahmen. In mehreren Bundesländern liefen in der Nacht und am Morgen Razzien gegen mutmaßliche Mitglieder und Helfer der kalabrischen ‚Ndrangheta. Auch in anderen europäischen Ländern wurden Haftbefehle vollstreckt: gegen sechs Menschen in Belgien, drei in Frankreich und jeweils eine Person in Portugal, Rumänien und Spanien.
Deutschlandweit waren mehr als 1000 Beamtinnen und Beamte im Einsatz, darunter auch Spezialkräfte. An der „Operation Eureka“ gegen die kalabrische ‚Ndrangheta waren nach Angaben des bayerischen Landeskriminalamts deutsche, belgische und italienische Behörden in enger Zusammenarbeit mit den europäischen Behörden Eurojust und Europol beteiligt.
Ermittler-Coup in Bayern
In Bayern ermittelten die Behörden gegen acht Verdächtige, gegen vier Verdächtige wurden EU-Haftbefehle vollstreckt. In einem der Geschäftsräume wurden mehrere Kilo Marihuana sichergestellt. In Bayern gelang den Behörden eigenen Angaben zufolge zudem ein für die internationalen Ermittlungen entscheidender Schlag: Sie konnten demnach ein Kryptohandy eines der wichtigsten Verdächtigen während dessen Aufenthalt in Bayern identifizieren. Der in München ansässigen Gruppe wird vorgeworfen, sich unter anderem an der Mitfinanzierung des internationalen Kokainhandels beteiligt, diesen mit Logistik unterstützt und Geldwäsche betrieben zu haben.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sprach von einem „Meilenstein für die italienischen Ermittler“. Die europaweite Festnahme- und Durchsuchungsaktion sei insgesamt „ein empfindlicher Schlag gegen die “Ndrangheta“, so der Minister.
Etliche Haftbefehle in Nordrhein-Westfalen
Nach Angaben mehrerer Staatsanwaltschaften und Landeskriminalämter lag der Schwerpunkt der Razzien in Deutschland in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Thüringen. So durchsuchten in Nordrhein-Westfalen rund 500 Einsatzkräfte insgesamt 51 Häuser, Wohnungen, Büros und Geschäftsobjekte von Verdächtigen und vollstreckten 15 Haftbefehle. In Thüringen, Rheinland-Pfalz und im Saarland wurden zusammen elf Personen verhaftet mehr als 50 Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht.
Bei „Eureka“ handelt es sich in Italien um eines der größten und bedeutendsten Verfahren im Bereich der organisierten Kriminalität der vergangenen Jahre. Allein im Zeitraum von Oktober 2019 bis Januar 2022 konnten die italienischen und belgischen Behörden der ‚Ndrangheta Einfuhr und Handel von fast 25 Tonnen Kokain zuordnen. Zudem flossen mehr als 22 Millionen Euro von Kalabrien nach Belgien, in die Niederlande und Südamerika.
Mächtige Mafia-Organisation
Die ‚Ndrangheta gehört zu den mächtigsten Mafia-Organisationen der Welt und ist längst international über die Grenzen Italiens hinaus aktiv. Beheimatet ist sie in der Region Kalabrien, der Spitze des italienischen „Stiefels“ auf dem Festland gegenüber der Insel Sizilien. Sie dominiert den internationalen Drogenhandel, verdient ihr Geld aber auch mit Waffenhandel, Geldwäsche und durch Korruption. Ihren Umsatz schätzen manche Experten auf mehr als 100 Milliarden Euro. Es gibt rund 160 Clans in Kalabrien mit schätzungsweise 6000 Mitgliedern.
Der Begriff ‚Ndrangheta stammt aus dem Griechischen und bedeutet etwa Mut oder Treue. Die Mafia-Organisation soll sich in den 1860er Jahren gegründet haben, als eine Gruppe Sizilianer von der italienischen Regierung von der Insel verbannt wurde. Die ‚Ndrangheta hat auch in Deutschland ein festes Standbein. Clans der Organisation waren etwa für die Mafia-Morde von Duisburg verantwortlich, bei denen 2007 sechs Menschen vor einer Pizzeria erschossen wurden.