Wie zuvor bei Kampfpanzern, hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj monatelang vergeblich bei den westlichen Verbündeten Kampfflugzeuge gefordert.
Mehrere europäische NATO-Länder hatten zwar schon Mitte Mai angedeutet, der Ukraine westliche Flugzeuge zu beschaffen, das letzte Wort hatte aber US-Präsident Joe Biden. Vor allem deswegen, weil sich bei der Auswahl der Maschine die Blicke auf die F-16 aus amerikanischer Produktion richteten. Bidens prinzipielle Zusage, bei einer F-16-Koalition mitzumachen, kam dann überraschend beim G7-Gipfel der wichtigsten Wirtschaftsnationen in Japan.
Warum die F-16? Weil dieses Mehrzweckkampfflugzeug ein schon vor Jahrzehnten eingeführtes, bewährtes Multitalent ist, das in großer Stückzahl vorhanden und in vielen Staaten genutzt wird. Der CDU-Sicherheitsexperte und Bundeswehroberst a.D. Roderich Kiesewetter nennt gegenüber DW die Funktionen, die die F-16 in der Ukraine haben könnten: „Als Unterstützung der Verteidigung in der Luft, als Luftnahunterstützung der Bodentruppen und als Möglichkeit, russische Versorgungslinien weit hinter der Front zu zerstören“.
Ganz wichtig ist den möglichen Lieferländern, dass die Maschinen nicht über Russland selbst eingesetzt werden, um nicht in eine Eskalation mit Moskau hineingezogen zu werden. Das hat Selenskyj zugesichert.
Bisher keine konkreten Zusagen
Doch bisher gibt es noch keine einzige konkrete Zusage für eine Lieferung von Flugzeugen. Zunächst geht es um die Ausbildung ukrainischer Piloten an dem Modell.
Obwohl die Royal Air Force die F-16 gar nicht fliegt, hat Großbritannien bereits eine gewisse Führungsrolle beim Schmieden der Koalition übernommen. Das gleiche fordert Kiesewetter auch von Deutschland, das ebenfalls keine F-16 hat; das ist aber für Kiesewetter kein Hinderungsgrund.
Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius hat zunächst die Erwartungen gedämpft: „Die paar Möglichkeiten, die es theoretisch geben könnte, die prüfen wir gerade“, sagte er bei einem NATO-Treffen in Brüssel. Der deutsche Beitrag werde in jedem Fall „nicht maßgeblich“ sein, „weil wir einfach keine F-16-Flugzeuge haben und auch bei der Pilotenausbildung mutmaßlich nicht viel helfen könnten“.
Es scheint aber in Berlin einen gewissen Konsens in Regierung und CDU-Opposition zu geben, dass Deutschland einen Beitrag leisten sollte. Michael Roth, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, sprach im Deutschlandfunk vage von einem möglichen „logistischen“ oder auch „finanziellen“ Beitrag. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, brachte in der „Süddeutschen Zeitung“ ins Gespräch, Deutschland könne sich „bei der Grundlagenausbildung einbringen oder Flugplätze als Drehscheibe zur Verfügung stellen“.
Roderich Kiesewetter sieht die mögliche deutsche Rolle ebenfalls vor allem „im Bereich der Finanzierung und der Logistik, zum Beispiel durch die Bereitstellung von Flughäfen, Betriebsstoffen und Munition, die Mithilfe bei der Ausbildung und die Bereitstellung von Sensorik, die Übernahme von Betankung oder die Koordinierungsleistung für Ersatzteile und Beteiligung bei der Logistik-Drehscheibe“. Wichtig sei, „die F-16-Allianz politisch und ideell zu unterstützen, damit nach der Ausbildung die Lieferung rasch erfolgt ohne große weitere Verzögerungen“.
Wohl kein „game changer“
Doch wie und wann würde die F-16 die militärische Situation in der Ukraine überhaupt verändern? In jedem Fall nicht sofort, denn allein die Ausbildung ukrainischer Piloten würde nach Militärexperten mindestens vier bis sechs Monate dauern. Für die seit langem erwartete ukrainische Frühjahrsoffensive kämen die Kampfflugzeuge also in jedem Fall zu spät.
Möglicherweise wollen die USA der Erwartung vorbeugen, die F-16 würden bald eine entscheidende Wende im Krieg bringen. Frank Kendall, für die Luftwaffe zuständiger Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium, sagte in einer Pressekonferenz, die F-16 würden der Ukraine längerfristig helfen, aber kein „gamer changer“ sein.
Russland gibt sich gelassen
Derweil gibt sich Russland demonstrativ gelassen. Die geplante Lieferung der westlichen Kampfflugzeuge und die Ausbildung ukrainischer Piloten an ihnen würden Kiew nicht helfen, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow. „All diese Anstrengungen sind völlig nutzlos.“ Russland werde alle militärischen Ziele in der Ukraine erreichen.
Anatoli Antonow, Russlands Botschafter in Washington, warnt gleichzeitig, eine Verlegung von US-F-16-Kampfflugzeugen werde die Frage nach einer Beteiligung der NATO an dem Konflikt aufwerfen. Auch werde jeder ukrainische Angriff auf die Krim als Angriff auf Russland betrachtet werden, schreibt er auf „Telegram“.
Genau dies weist NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zurück: „Die Ukraine hat das Recht auf Selbstverteidigung. Wir helfen der Ukraine, dieses Recht auszuüben“, erklärte Stoltenberg in Brüssel. „Dadurch werden die NATO und NATO-Verbündete nicht Teil des Konflikts.“