In einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg geht es um Asylzentren in Albanien, die die italienische Regierung eingerichtet hat, um Flüchtlinge ohne Asylanspruch schneller in ihre Heimatländer abschieben zu können.
In diesen Lagern sollen die Asylverfahren deutlich schneller als sonst üblich durchgeführt werden. Innerhalb von 28 Tagen sollen die Behörden über Asylanträge entscheiden – ohne, dass die Geflüchteten Italien und damit EU-Boden betreten. Stattdessen sollen sie in Asyllagern in Albanien auf die Entscheidung warten. Konkret geht es dabei um zwei Lager an der albanischen Adriaküste in Gjadër und in Shëngjin.
Funktionieren soll das so: Schon auf dem Mittelmeer fangen italienische Grenzschützer Geflüchtete auf ihrem Weg nach Italien ab. Auf dem Schiff prüfen die Beamten, wer für das Schnellverfahren in Frage kommt. Die Schnellverfahren sind rechtlich nur zulässig, wenn die Geflüchteten aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ kommen.
Italien stuft etwa Bangladesch und Ägypten als sichere Herkunftsländer ein. Also werden vor allem junge, gesunde Männer aus Bangladesch oder Ägypten in die Asyllager nach Albanien gebracht. Dort müssen sie auf die Entscheidung über ihren Asylantrag warten. Hat der Erfolg, dürfen sie weiter nach Italien. Ansonsten müssen sie ohne Umwege zurück nach Hause.
Mehrere gescheiterte Versuche
Mehrfach hatte die italienische Regierung versucht, die Geflüchteten in den albanischen Lagern unterzubringen. In jedem Fall entschieden italienische Gerichte, dass die Geflüchteten nach Italien zu bringen seien, um über die Asylanträge zu entscheiden.
Zwei betroffene Asylbewerber hatten sich juristisch gegen das Vorgehen gewehrt – mit Erfolg. Ein Gericht in Rom entschied: Bangladesch und Ägypten sind keine sicheren Herkunftsländer. Das römische Gericht hatte allerdings noch Klärungsbedarf und rief deshalb im November 2024 den EuGH an.
Ende Februar dieses Jahres hatte der EuGH den Fall verhandelt. In der Verhandlung ging es vor allem darum, unter welchen Voraussetzungen Herkunftsländer als sicher eingestuft werden können und inwiefern nationale Gerichte dies überprüfen können.
Eine wichtige Frage war dabei: Können Länder auch als sicher eingestuft werden, in denen bestimmte Personengruppen, zum Beispiel Homosexuelle, besonders gefährdet sind?
Gefährdete Personen müssen geschützt werden
Der Generalanwalt des EuGH, Richard de la Tour, sagte nun in seinem Entscheidungsvorschlag: Eine Einstufung als sicherer Herkunftsstaat sei auch möglich, wenn dort bestimmte Personengruppen gefährdet seien. Dies aber nur, wenn sichergestellt sei, dass der Herkunftsstaat demokratisch ist und die gefährdeten Personengruppen von der dortigen Regierung geschützt werden.
De la Tour betonte aber auch: Beschleunigte Asylverfahren dürfen bei gefährdeten Personengruppen, wie zum Beispiel Homosexuellen, nicht durchgeführt werden.
Für Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wäre das eine Niederlage: Wer zu einer gefährdeten Personengruppe gehört, dürfte dann nicht in solche Außenlager wie in Albanien gebracht werden, sondern hätte Anspruch darauf, dass ein reguläres Asylverfahren in Italien durchgeführt wird.
„Gerichte müssen Einstufung überprüfen können“
Außerdem ist de la Tour der Ansicht, dass ein EU-Staat, der einen Drittstaat als sicher einstuft, seine Quellen offenlegen muss, mithilfe derer er zu dieser Einstufung gekommen ist. Dann könnten Gerichte anhand der vorgelegten Quellen überprüfen, ob diese Einstufung als sicherer Herkunftsstaat rechtlich in Ordnung ist.
Wenn ein Mitgliedsstaat, wie zum Beispiel Italien, sich weigere, seine Quellen preiszugeben, dürften Gerichte auch ihre eigenen Quellen heranziehen, um die Einstufung zu überprüfen. Dies sei wichtig, um einen ausreichenden Rechtsschutz für betroffene Asylbewerber zu gewährleisten. Der Entscheidungsvorschlag des Generalanwalts ist für den Gerichtshof nicht bindend. Ein Urteil des EuGH wird in einigen Monaten erwartet.
Italien will Lager teilweise umfunktionieren
Ende März hat die italienische Regierung beschlossen, dass das Lager in Gjadër auch als Abschiebehaftanstalt genutzt werden kann. Konkret heißt das, dass dort Menschen, deren Asylantrag abgelehnt worden ist, untergebracht werden sollen, um dort auf ihre Abschiebung zu warten.
Laut italienischen Medienberichten sollen die ersten abgelehnten Asylbewerber diesen Samstag im Lager in Gjadër eintreffen.