Mutiger, einfacher, schneller – so überschreibt Europas mächtigste Behörde ihr Arbeitsprogramm für die kommenden Jahre. Die EU-Kommission will dazu beitragen, Europas Wirtschaft fit für den weltweiten Wettbewerb zu machen – indem sie hilft, Vorschriften leichter umzusetzen, oder die Vorgaben verschlankt. Das Vorhaben wurde jetzt im EU-Parlament diskutiert.
Sogenannte Omnibus-Gesetze sollen den Verwaltungsaufwand für Firmen einschränken. Ein erstes dieser Gesetze kommt Ende des Monats, es soll Berichtspflichten aus drei Gesetzen zusammenfassen.
EU-Kommission in der Bringschuld
Der stellvertretende Kommissionschef Maros Sefcovic fordert EU-Parlament und Mitgliedsstaaten zur Zusammenarbeit auf: „Wir müssen uns gemeinsam darauf konzentrieren, unsere Gesetze so weit wie möglich zu vereinfachen und EU-Unternehmen mit den richtigen Instrumenten und dem richtigen Regelungsumfeld auszustatten, damit sie weltweit wettbewerbsfähig bleiben.“ So könne gemeinsam „auf eine mutigere, einfachere und schnellere Union“ hingearbeitet werden.
Dazu muss die Kommission ihren Beitrag leisten: Sie schlägt in der europäischen Rechtsetzung Gesetze vor. Dabei will sie künftig stärker berücksichtigen, ob Vorschriften die Wettbewerbsfähigkeit besonders mittelständischer Unternehmen einschränken könnten. Bestehende Gesetze sollen einem „Fitness-Check“ unterzogen werden.
Verwaltungsaufwand soll massiv gesenkt werden
Der niederländische Christdemokrat Jeroen Lenaerts begrüßt das. Er erinnert daran, dass EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zu Beginn ihrer ersten Amtszeit Europas nachhaltigen Umbau mit der Mondlandung verglichen hatte. Einen solchen „Mann-auf-dem-Mond-Moment“, sagt Lenaerts, brauche es jetzt, um Europas Wettbewerbsfähigkeit zu sichern: „Wir müssen Bürokratie abbauen und Unternehmen und Industrien beim Wachstum in Europa unterstützen.“
Brüssel verspricht, den Verwaltungsaufwand für Betriebe um mindestens 25 Prozent zu senken, für kleine und mittlere Firmen sogar um 35 Prozent. Laut von der Leyen könnten sie dadurch pro Jahr 37 Milliarden Euro einsparen.
Der für Ende des Monats angekündigte Deal für saubere Industrie soll Investitionen erleichtern und Energiepreise senken. Brüssel will gezielt Firmen fördern, die Modelle für Künstliche Intelligenz entwickeln und durch ein einheitliches Regelwerk grenzüberschreitende Geschäfte im EU-Binnenmarkt erleichtern.
Kritik von Sozialdemokraten und Grünen
Die sozialdemokratische Fraktionschefin Iraxte Garcia Perez aus Spanien fordert, darüber den sozialen Ausgleich nicht zu vernachlässigen: „Wir wollen einen sozialen Kompass von der Kommission, um 95 Millionen Europäer aus der Armut zu befreien, die Arbeitsplatzunsicherheit zu beenden und steigende Immobilienpreise zu bekämpfen.“ Es reiche nicht, den Erfolg nur an wirtschaftlichen Indikatoren zu messen. „Wettbewerbsfähigkeit erreicht man nur, wenn sie zu einem menschenwürdigen Leben führt“, sagt sie.
Auch für Grünen-Fraktionschef Bas Eickhout aus den Niederlanden greift der Arbeitsplan der Kommission zu kurz: Er wirft ihr vor, zu sehr auf Verschlankung zu setzen. Nur Trump nachzuahmen werde Europa nicht besser machen. „Wo ist denn die Vision für unsere europäische Zukunft?“, fragt er. Er sieht die große Gefahr, „dass wir in schönen Strategien, Mitteilungen und Aktionsplänen stecken bleiben und am Ende nur Deregulierung erleben“.
Von der Leyen verfolgt Debatte nicht selbst
Jordan Bardella von der Rechtsaußen-Fraktion „Patrioten für Europa“ wirft Brüssel vor, Europas Unternehmen einer Schocktherapie zu unterziehen und ihnen in Wahrheit Chancen zu verbauen. Der Franzose spricht sich für einen ökonomischen Patriotismus aus: „Patrioten haben die edelste aller Ambitionen: nicht zu verschwinden und unseren Nationen wieder den Platz im globalen Wettbewerb zu verschaffen, den sie schon immer innehatten.“
Mehrere Redner kritisieren im Plenum, dass von der Leyen der Debatte in Straßburg fernbleibt, obwohl die doch das erklärte Hauptanliegen ihrer künftigen Arbeit behandelt – Europas Wettbewerbsfähigkeit. Von der Leyens Stellvertreter Sefcovic sagte, die Präsidentin sei in Brüssel unabkömmlich.