Eigentlich wollte die „Koalition der Willigen“ zeigen, dass man sich militärisch von den Amerikanern emanzipiert. Aber beim Treffen im NATO-Hauptquartier vermied fast keiner der europäischen Verteidigungsminister, auf die Bedeutung der amerikanischen Unterstützung hinzuweisen. Nach wie vor. Trotz allem.
„Werden Sie Schutztruppen für die Ukraine stellen, für die Zeit nach dem Krieg, um die Waffenruhe in der Ukraine abzusichern?“ Auf diese Frage antworteten viele Minister mit dem Hinweis, dass es ganz ohne amerikanische Rückendeckung wohl nicht gehen werde. „Die Vereinigten Staaten bleiben entscheidend in der Frage“, erklärte der finnische Verteidigungsminister Antti Häkkänen, amerikanische Truppen müssten „irgendwie“ dabei sein.
Auch von den Niederlanden, die bisher unter den Europäern neben Deutschland und Dänemark die umfangreichste Militärhilfe für die Ukraine geleistet haben, war keine Bereitschaft zu hören, eine eventuelle Waffenruhe ohne US-Rückendeckung abzusichern. „Die Amerikaner an Bord zu haben, ist wirklich wichtig“, sinnierte der niederländische Verteidigungsminister Ruben Brekelmans.
Aus den Delegationen anderer Länder der Koalition waren ähnliche Vorbehalte zu hören. Hinter den vorsichtigen Formulierungen steckt die Sorge, dass aus einem Truppeneinsatz in der Ukraine zum Schutz einer Waffenruhe schnell eine sehr gefährliche Sache werden kann, weil auf der anderen Seite der Waffenstillstandslinie die Atommacht Russland steht.
Wenige wollen Soldaten abstellen
US-Präsident Donald Trump hat allerdings schon vor Wochen ausgeschlossen, amerikanische Soldaten zur Verfügung zu stellen. Die Verhandlungen über eine Waffenruhe führt er mit Wladimir Putin, aber danach müssten die Europäer selbst für die nötigen Schutzgarantien in der Ukraine sorgen, das ist die Linie Washingtons.
Bisher sind nur wenige europäische Regierungen bereit, eigene Soldaten zu schicken. Offiziell war das bisher von Frankreich und Großbritannien zu hören, die Rede ist von 20.000 Soldaten, eventuell 30.000. Die reichen nach einhelliger Experten-Einschätzung aber bei weitem nicht aus, um so etwas wie Sicherheit in der Ukraine zu garantieren.
Und sie sollen auch nicht an der 1.400 Kilometer langen Ostgrenze des Landes stationiert werden, eher im Westen. Die Sicherung der Gebiete an der Frontlinie soll nach britisch-französischen Vorstellungen auch im Fall einer Waffenruhe weiterhin bei den Ukrainern liegen. Sie will man unterstützen, mit Trainingsmissionen und mit mehr Waffenlieferungen.
Viele offene Fragen
Aber wie sähe dann der Beitrag der „Koalition der Willigen“ aus? Es gehe um die Sicherung des Luftraums und der Seewege, kündigte der britische Verteidigungsminister John Healey zur Begrüßung seiner Amtskollegen aus rund 30 Ländern an. Dann folgten Beratungen hinter verschlossenen Türen, an denen für Deutschland der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, teilnahm.
Eine viel diskutierte Frage dabei ist, welches Mandat eine Schutztruppe haben könnte. Frankreich als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat kann sich Blauhelmtruppen mit einem Mandat der Vereinten Nationen vorstellen.
Die Idee ist trotzdem unrealistisch, weil Russland, ebenfalls ständiges Sicherheitsratsmitglied, kaum einer Resolution zustimmen dürfte, die nicht eindeutig russischen Interessen dient. Ganz zu schweigen vom Abstimmungsverhalten der Amerikaner im Sicherheitsrat, niemand kann das sicher vorhersagen.
An Begriffen mangelt es nicht
Alternativ kursieren lauter andere Begriffe wie Rückversicherungskräfte, Schutztruppen, oder Garantiekontingente. Die Vielzahl der Benennungen kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Russland wohl nur dann von einem Bruch einer etwaigen Waffenruhe und weiteren Angriffen abgehalten werden kann, wenn hinter dem westlichen Engagement nicht nur willige, sondern im Ernstfall auch handlungsbereite Kräfte stehen.
In den Generalstäben werden Konzepte dafür erarbeitet. Welche Regierungen am Ende grünes Licht geben für eine Mission, in der europäische Soldaten mit Waffen und mit dem Einsatz ihres Lebens kämpfen, wenn russische Soldaten die Waffenruhe brechen – das ist ungewiss.
Konkreter dürfte es an diesem Freitag werden, wenn die Verteidigungsminister in einem anderen Format zusammenkommen, der Ukraine-Kontaktgruppe. Die Entscheidungen werden ihnen dann leichter fallen – es geht nicht um die eigenen Soldaten, sondern um weitere Waffenlieferungen an die ukrainische Armee.