Die deutsche Wirtschaft hat ihre Talfahrt im September überraschend deutlich gebremst. Der Einkaufsmanagerindex für die gesamte Privatwirtschaft – Industrie und Dienstleister zusammen – stieg im September um 1,6 auf 46,2 Punkte, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Freitag zu seiner monatlichen Umfrage unter etwa 800 Unternehmen mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich einen Anstieg auf 44,8 Zähler vorhergesagt. Dennoch liegt das Barometer weiter deutlich unter der Schwelle von 50 Zählern, ab dem es Wachstum signalisiert.
Daher dürfte das Bruttoinlandsprodukt im zu Ende gehenden dritten Quartal schrumpfen, sagte Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank (HCOB), die die Umfrage sponsert. Er rechnet sogar mit einem „markanten Einbruch“ von einem Prozent zum Vorquartal. Ende 2022 und Anfang 2023 istEuropas größte Volkswirtschaft zwei Quartale in Folge geschrumpft, ehe sie im Frühjahr stagnierte. „Einige wichtige Teilindikatoren wie das Neugeschäft und die Auftragsbestände, die eine Talsohle zu erreichen scheinen, geben jedoch Anlass zur Hoffnung auf ein Ende des Abschwungs im neuen Jahr“, sagte der HCOB-Chefvolkswirt.
„Zinsen dürften nicht mehr steigen“
Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie legte von 39,1 auf 39,8 Punkte zu. Allerdings wurde die Produktion so kräftig zurückgefahren wie seit Mai 2020 nicht mehr, als die Corona-Pandemie durchschlug. „Es ist kein Geheimnis, dass die deutsche Industrie in letzter Zeit in die Knie gegangen ist“, sagte de la Rubia. Die Dienstleister lieferten einen Lichtblick: Hier legte das Barometer von 47,3 auf 49,8 Punkte zu und näherte sich damit der Wachstumsschwelle. „Das ist grundsätzlich eine angenehme Überraschung“, sagte de la Rubia. „In Bezug auf das Wachstum bedeutet dies aber lediglich, dass die Aktivität nach dem Rückgang im August im Großen und Ganzen gleich geblieben ist.“
Auch andere Ökonomen geben noch keine Entwarnung. „Rezessive Tendenzen dürften damit wohl ungeachtet des kleinen Lichtblicks aus Deutschland das gesamte zweite Halbjahr bestimmen“, sagte LBBW-Ökonom Elmar Völker auch mit Blick auf die Euro-Zone insgesamt. „Die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB vor diesem Hintergrund ihre Zinsschraube gar nochmals anziehen könnte, ist vorerst sehr gering.“