Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sieht durch den Hunger der Menschen im Gazastreifen eine wachsende Gefahr für Terrorismus. „Wir sehen auf dramatische Art und Weise nicht nur das Leid, sondern der Hunger nährt auch weiteren Terrorismus“, sagte die Grünen-Politikerin in Dubai bei einem Besuch eines Warenlagers, über das ein Großteil der Hilfe des Welternährungsprogramms (WFP) für den Gazastreifen läuft.
„Es kommt auf jede Packung Ernährungskekse an“
„Deswegen ist es im zentralen Sicherheitsinteresse von Israel, dass die Menschen mit Lebensmitteln, mit Wasser, mit Medikamenten versorgt werden können“, sagte Baerbock. Sie betonte in diesem Zusammenhang auch die Rolle Deutschlands, das – neben den USA – der stärkste Geber für das WFP und das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) sei. Seit Beginn des Gaza-Kriegs habe die Bundesregierung ihre humanitäre Hilfe für die Palästinenser und insbesondere die Menschen in Gaza noch einmal erhöht. „Sie beläuft sich in diesem Jahr auf 179 Millionen Euro, und wir werden diese Hilfe weiter verstärken.“
Die Ministein dankte zugleich den Vereinigten Arabischen Emiraten, die dem Welternährungsprogramm das Logistikzentrum in Dubai nach dessen Angaben kostenlos zur Verfügung stellen. „Jedes Menschenleben ist gleich viel wert, und deswegen kommt es auch auf jede Packung Ernährungskekse an, die hier verschickt wird. Es kommt auf jeden Transporter an, der in die Region kommen kann.“
„Frauen und Kinder sterben als erste“
Der Kampf Israels gelte dem Terrorismus und der Hamas und nicht unschuldigen Zivilisten im Gazastreifen, unterstrich Baerbock. Die Hamas wird von Israel, Deutschland, der EU, den USA und einigen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft. Die Ministerin forderte jedoch erneut mehr Schutz für die Palästinenser dort. „Wir erleben dieser Tage auch, dass insbesondere Frauen und Kinder auch wieder in Gaza am meisten leiden. Sie bekommen Essen zuletzt und sterben als erste.“
Baerbock drängte auch auf humanitäre Pausen für Hilfsleistungen, mehr Lastwagen, die aus Ägypten über den Grenzübergang in Rafah kommen könnten, und die Öffnung weiterer Grenzübergänge zur Versorgung der Menschen mit dem Nötigsten. Schließlich verlangte sie erneut: „Die israelische Armee muss die Zivilisten in Gaza besser schützen.“
Baerbock hält sich derzeit in Dubai vorrangig auf, um an der UN-Klimakonferenz (COP28) teilzunehmen. Dort startete am Freitag die zweite und entscheidende Verhandlungswoche.
Disput zwischen Israel und WFP
Israel bestritt unterdessen die Verantwortung für die zunehmende humanitäre Krise im Gazastreifen. „Die internationalen Organisationen schaffen es nicht, Hilfsgüter in dem Tempo zu verteilen, wie Israel die Lieferungen inspiziert“, sagte Regierungssprecher Eilon Levi. Seit Beginn der Kämpfe am 7. Oktober seien 63.000 Tonnen an Hilfsgütern in den abgeriegelten Küstenstreifen gelangt, darunter 6500 Tonnen an medizinischem Bedarf. Laut Levi kann Israel derzeit mehr Lastwagen inspizieren als von den internationalen Organisationen abgefertigt werden können. Das Land befürchtet, dass in den Lkw mit humanitärer Hilfe auch Waffen nach Gaza geschafft werden könnten und untersucht sie deshalb.
Das Welternährungsprogramm hatte zuvor erklärt, für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen fast keine humanitäre Hilfe mehr leisten zu können. Es fehle an allem Wesentlichen – an Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten und medizinischer Betreuung, sagte Martin Frick, Leiter des Berliner Büros des Programms, in Dubai.