Manchmal kommen Termine wie gerufen. Dresden heute Morgen, der Kanzler ist beim symbolischen Spatenstich für den Bau einer Chipfabrik. Die Fabrik soll zur Versorgung Deutschlands und Europas mit Halbleiterchips dienen – mit Milliarden subventioniert von der Bundesregierung. Scholz nennt Halbleiter „das Erdöl des 21.Jahrhunderts“ und lässt es sich nicht nehmen, hier selbst vorbei zu schauen. Frei nach dem Motto: Krise, welche Krise? Es geht schließlich um die Zukunft der Wirtschaft.
In diesen Tagen spielt aber immer auch irgendwie die Zukunft des Kanzlers selbst eine Rolle. Haftet ihm doch seit neustem der Begriff des „Übergangskanzlers“ an. Eine Vorlage dafür hatte nicht etwa die Opposition geliefert, sondern sie kam – frei Haus – vom Koalitionspartner. Der Grünen-Parteichef Omid Nouripour hatte im ARD-Sommerinterview die Ampelregierung als „Übergangsregierung“ nach der Merkel-Ära bezeichnet.
Olaf Scholz mit TSMC-Chef C.C. Wei beim Spatenstich für eine Chipfabrik in Dresden – Halbleiter nennt er „das Erdöl der Zukunft“.
„Jede Regierung ist die Regierung vor der nächsten“
Eine Formulierung, die seitdem für hohe Wellen sorgt. Nur fürs Protokoll: Nein, der Kanzler sieht sich selbst nicht als Übergangskanzler und sowieso merkt Scholz in seiner sehr eigenen, trockenen Art an: „Jede Regierung ist die Regierung vor der nächsten – und manchmal ist es die gleiche.“ Immerhin gab Scholz bei einem Bürgerdialog in Bremen am Montag zu, dass die Leistungsbilanz der Ampel überschattet werde durch die schwierigen Entscheidungsprozesse. Und forderte seine Koalitionspartner zu „gutem Regieren“ und „gutem Benehmen“ auf.
Nun kann man darüber streiten, ob Scholz öffentliche Maßregelung von Christian Lindner im vergangenen Haushaltsstreit „gutes Benehmen“ war. Scholz wirkte eher wie jemand, der seinen Finanzminister öffentlich darauf hinweisen wollte, dass er selbst die Geldpolitik besser verstanden habe. In jedem Fall war es dieser Streit – Nouripour nannte ihn gar den „vielleicht sinnlosesten aller Streitereien“ – der die Fliehkräfte der seit langem auseinander driftenden Ampel weiter beschleunigte.
Seitdem wirkt es nun so, als ob die Beteiligten versuchten, zusammenzuhalten, was gerade noch zusammenzuhalten ist, allein, um dem Gefühl der eigenen Vergänglichkeit entgegenzuwirken. Wer will schon Übergang sein?
Wissing: Andere Sicht als Nouripour
Während der Kanzler in Dresden über die Zukunft der Wirtschaft redet, nutzt der FDP-Verkehrsminister Volker Wissing heute eine Baustellenbesichtigung zur Generalsanierung der Riedbahn, einem zentralen Abschnitt für den Bahn-Fernverkehr, um über die Zukunft der Bahn zu reden.
Volker Wissing bei einer Baustellenbegehung auf der Riedbahn – das Schienennetz der Bahn sei ein “ geerbter Oldtimer“.
Die Bahn, die ja selbst zum Inbegriff dessen geworden ist, was in Deutschland nicht läuft. Oder wie Wissing es formuliert: Das Schienennetz sei ein „Oldtimer“, den er von der Großen Koalition übernommen habe. Auch der Verkehrsminister nimmt Stellung zur Frage nach der Übergangsregierung: „Die FDP will nicht übergangsweise regieren, sondern in der Zukunft“. Ob das Ganze dann auch mit der Ampel sein soll, lässt Wissing betont offen.
Die FDP mag sich selbst längst von der ungeliebten Ampel abgewendet haben, den Terminus „Übergang“ versucht man aber möglichst weit von sich fernzuhalten. Nouripours Äußerung kann Wissing konsequenterweise nicht nachvollziehen, er habe da offensichtlich eine andere Sicht, so der Verkehrsminister.
Habeck hat sein Büro aufgeräumt
Womit wir beim dritten Koalitionspartner wären, den Grünen. Der Mann, der vermutlich der Kanzlerkandidat der Grünen wird, hat an diesem Dienstag zu sich geladen. Bürgerdialog im Wirtschaftsministerium.
Robert Habeck will zuhören, in den Dialog treten, nahbar sein, das Wirtschaftsministerium zugänglich machen. „Das Büro ist so aufgeräumt wie nie“. Er will sichtlich sein Image aufpolieren. Den Blick längst gen Kanzleramt gerichtet.
Robert Habeck spricht distanziert über die Koalition, bürgernah gibt er sich bei einer Veranstaltung in seinem Ministerium.
Auch wenn die Chancen zur Zeit nicht die größten sind, hat Habeck heute dann trotzdem schon mal eine Botschaft parat: „Sollte ich jemals Bundeskanzler werden, wird Christian Lindner nicht Finanzminister.“ Wie resigniert Habeck auf die Ampelkoalition blickt, wurde nach dem Minimalkompromiss bei den Haushaltsverhandlungen deutlich: „Wie soll ich sagen: Ist halt so.“ Mehr Distanz zur eigenen Koalition geht kaum. Übergangsregierung hin oder her, spätestens damit dürfte der Startschuss gefallen sein: Jeder macht jetzt seins.