Ein Krankenhausmitarbeiter in der Stadt Finote Selam, der anonym bleiben wollte, sagte der Nachrichtenagentur AFP, es seien 22 Menschen eingeliefert worden, die bereits tot waren. Vier weitere seien kurz nach ihrer Ankunft in der Klinik ihren schweren Verletzungen erlegen.
Den Angaben zufolge gab es bei dem Luftangriff auf einen belebten Marktplatz in der Stadt im Nordwesten Äthiopiens außerdem mindestens 55 Verletzte. Ein Bewohner sagte der AFP, er sei 15 Minuten nach dem Angriff am Ort des Geschehens angekommen und habe bei der Beerdigung von 30 Todesopfern geholfen. Vor Ort habe er einen komplett zerstörten Transporter gesehen, der von Leichen umringt gewesen sei.
Es ist der Zwischenfall mit der höchsten Opferzahl seit Beginn der jüngsten Unruhen.
Proteste im Frühjahr, Unruhen seit August
In der Region Amhara im Nordwesten Äthiopiens, wo mehr als 20 Millionen der insgesamt 120 Millionen Einwohner Äthiopiens leben, kommt es bereits sei dem Frühjahr immer wieder zu Protesten. Seit Anfang August gibt es schwere Unruhen. Die regionale Fano-Miliz besetzte nach Angaben des äthiopischen Nachrichtendienstes mehrere Städte der Region, zog sich aber wenige Tage später in kleinere Dörfer zurück.
Die Regierung von Ministerpräsident Abiy Ahmed hatte Anfang August einen sechsmonatigen Notstand in der Region Amhara verhängt. In mehreren Städten gilt noch eine Ausgangssperre, obgleich sich die Gewalt gegen Ende letzter Woche etwas abgeschwächt hatte. Die Unruhen haben Befürchtungen über die Stabilität des zweitbevölkerungsreichsten Landes Afrikas aufleben lassen. Die staatliche Fluggesellschaft Ethiopian Airlines setzte zeitweise den Flugverkehr aus.
Erst Verbündete, jetzt Gegner
Im April hatte die äthiopische Regierung entschieden, die autonomen regionalen Spezialeinheiten in dem Vielvölkerstaat aufzulösen. Die Milizen in Amhara – unter ihnen auch die Fano-Gruppe – waren im mehrjährigen Konflikt zwischen Tigray und der Zentralregierung noch wichtige Verbündete der Regierung gewesen.
Der Bürgerkrieg wurde jedoch im November des vergangenen Jahres mit einem Friedensabkommen beendet. Die Regierung in Addis will nun die Macht der regionalen Einheiten einschränken.