Nach Angaben von Überlebenden handelt es sich bei den Vermissten um etwa 28 Migranten von einem Flüchtlingsboot und drei Personen von einem weiteren, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) mitteilte. Ein Kleinkind von elf Monaten und eine erwachsene Frau wurden tot geborgen. Auf einem Video der Küstenwache war zu sehen, wie Menschen bei sehr hohem Wellengang auf dramatische Weise in die Rettungsboote gezogen wurden. Beide Boote waren demnach am Samstag bei stürmischem Wetter gesunken. Die seeuntüchtigen Metallboote waren vermutlich am Donnerstag von der Hafenstadt Sfax in Tunesien aufgebrochen.
In Agrigent auf der nahegelegenen italienischen Insel Sizilien wurde eine Untersuchung zu den Schiffbrüchen eingeleitet. Der Polizeichef von Agrigent, Emanuele Ricifari, erklärte, die Schlepper hätten vermutlich gewusst, dass raue See vorhergesagt worden war. Wer auch immer es den Menschen auf den Booten erlaubt oder sie gezwungen habe, bei diesen Bedingungen in See zu stechen, „ist ein skrupelloser krimineller Wahnsinniger“, sagte Ricifari nach Berichten italienischer Medien. Auch für die kommenden Tage sei raue See vorhergesagt. „Es ist ein Gemetzel in diesem Meer“, fügte er hinzu.
Tunesien ist ein wichtiges Transitland für Flüchtlinge, die über die gefährliche Mittelmeer-Route nach Europa gelangen wollen. Die Küstenstadt Sfax liegt nur etwa 130 Kilometer von der italienischen Insel Lampedusa entfernt.
Dramatische Rettungsaktion
Trotz unruhiger See wagten zuletzt viele Boote mit Migranten und Migrantinnen die gefährliche Überfahrt von Nordafrika in Richtung Lampedusa. Rund 20 Menschen erreichten etwa am Freitag mit ihrem Boot eigenständig die Insel, gingen dort aber an einer derart unwegsamen Bucht an Land, dass sie bis Sonntag warten mussten, ehe Bergretter über die Felsen für eine Evakuierung zu ihnen gelangten. Die Küstenwache hatte wegen der hohen Wellen keine Rettung vom Meer her durchführen können, wie die Nachrichtenagentur Ansa meldete.
Nach Angaben der italienischen Regierung sind in diesem Jahr bereits etwa 92.000 Migranten, vornehmlich aus Libyen und Tunesien, an den Küsten Italiens eingetroffen – das sind mehr als doppelt so viele Menschen als noch im Vorjahreszeitraum. Bei der Überfahrt über das Mittelmeer sind nach Angaben der IOM seit 2014 mehr als 20.000 Menschen ums Leben gekommen.
Weitere Rettungsaktionen bei Lampedusa
Auch zivile Organisationen retten regelmäßig Menschen: Die Crew des deutschen Rettungsschiffs „Nadir“ etwa holte in der abgelaufenen Woche nach eigenen Angaben 170 Menschen an Bord, darunter sechs schwangere Frauen, zwei von ihnen im neunten Monat. Sie alle wurden – teils übernommen von der Küstenwache – nach Lampedusa gebracht.
Ebenfalls am Freitag brachte das Segelschiff „Astral“ der spanischen Organisation Proactiva Open Arms 136 Gerettete nach Lampedusa, davon eine Schwangere und vier Kinder. Die Menschen seien in drei komplizierten Einsätzen an Bord genommen worden, teilte die Hilfsorganisation mit. Wie die „Nadir“ ist die „Astral“ vor allem ein Beobachtungsboot mit nur eingeschränkten Rettungskapazitäten und wenig Möglichkeiten, Gerettete länger zu versorgen.