Krawalle: Macron sieht Eltern und Soziale Medien am Zug

Von | 1. Juli 2023

Nach der dritten Nacht mit Ausschreitungen in ganz Frankreich hat der französische Präsident Emmanuel Macron explizit die Eltern im Land angesprochen. Ein Drittel der 875 Menschen, die vergangene Nacht festgenommen worden seien, seien „jung, manchmal sehr jung“, sagte Macron nach einem interministeriellen Krisentreffen in Paris. „Es ist die Verantwortung der Eltern, sie zuhause zu behalten. Die Republik ist nicht dazu berufen, an ihre Stelle zu treten.“ Er appellierte auch an die Eltern, dafür zu sorgen, dass sich ihre Kinder nicht an den gewaltsamen Protesten beteiligten.

Der Staatspräsident machte auch die sozialen Netzwerke für die Gewalteskalation der vergangenen Tage verantwortlich. Dort seien „gewalttätige Versammlungen“ organisiert worden, auch werde bei den jungen Nutzern zu einer „Art Nachahmung von Gewalt“ angeregt. „Manchmal hat man das Gefühl, dass einige von ihnen auf der Straße die Videospiele ausleben, die sie infiziert haben“, sagte der Staatschef. Er forderte die Onlinenetzwerke zum Löschen von „besonders sensiblen“ Inhalten zu den Ausschreitungen nach dem Tod eines 17-Jährigen auf. Er erwarte von Plattformen wie Snapchat oder TikTok verantwortliches Handeln. Macron kündigte an, dass die Behörden gegen Menschen vorgehen werden, die über die sozialen Netzwerke zu Krawallen aufrufen.

Vorerst kein Notstand

Beobachter hatten vermutet, dass Macron nach dem Krisentreffen den nationalen Notstand verhängen könnte. Frankreichs Premierministerin Élisabeth Borne hatte zuvor angekündigt, „alle Hypothesen“ zu prüfen, um schnell wieder zur „republikanischen Ordnung“ zurückzukehren – auch die Ausrufung des landesweiten Notstands hatte sie nicht ausgeschlossen. Die Regierung in Paris entschied sich zunächst jedoch dafür, dass das Innenministerium „zusätzliche Mittel“ einsetzen solle. Was das konkret bedeutet, blieb zunächst unklar. Macron kündigte an, dass weitere Polizisten für den Einsatz gegen die Zusammenstöße mobilisiert würden. Nach seinen Angaben werden zudem einige Großereignisse in den besonders betroffenen Regionen abgesagt.

Zerstörtes Gebäude
Dieses Gebäude brannte bei den nächtlichen Unruhen in Roubaix in Nordfrankreich nieder Bild: Pascal Rossignol/REUTERS

Auslöser der Unruhen war der Tod eines Jugendlichen. Eine Motorradstreife in Nanterre bei Paris hatte den 17-jährigen Nahel am Dienstagmorgen am Steuer eines Autos gestoppt. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe des Polizisten. Gegen den Beamten wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet, er kam in Untersuchungshaft. Der Einsatz der Waffe bei der Kontrolle war nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft nicht gerechtfertigt.

Hunderte Verletzte

Seitdem wird Frankreich von heftigen Unruhen erschüttert. Im Großraum Paris und in weiteren Städten gab es von Donnerstag auf Freitag in der dritten Nacht in Folge Ausschreitungen. Insgesamt wurden 79 Polizeistationen und 119 weitere öffentliche Gebäude angegriffen, darunter 34 Rathäuser und 28 Schulen. Autos und Mülltonnen wurden in Brand gesteckt und Polizisten mit Feuerwerkskörpern beworfen. Nach Angaben der Behörden wurden 249 Sicherheitskräfte verletzt. 875 Menschen wurden festgenommen. Ministerpräsidentin Borne sprach von einer „intolerablen und unentschuldbaren“ Gewalt. Sie bekräftigte ihre Unterstützung für Polizei und Feuerwehr, die „tapfer ihre Pflichten erledigten“. Landesweit waren in der Nacht auf Freitag 40.000 Polizisten im Einsatz, um sich den Ausschreitungen entgegenzustellen, allein 5000 davon in Paris.

Lage in Frankreich nach den nächtlichen Krawallen

Wegen der Krawalle sollen im ganzen Land Busse und Straßenbahnen ab abends nicht mehr fahren. Innenminister Gérald Darmanin wies die Präfekten in den Regionen an, ab 21.00 Uhr MESZ den Verkehr dieser Transportmittel einzustellen. Auch der Verkauf von Feuerwerkskörpern, von Benzinkanistern sowie entzündlichen und chemischen Produkten solle systematisch unterbunden werden, teilte das Innenministerium mit.

UN mahnen zur Besonnenheit

Derweil betonte die Menschenrechtsorganisation der Vereinten Nationen die Versammlungsfreiheit und forderte die französischen Behörden auf, dafür zu sorgen, dass die Polizeieinsätze angemessen erfolgten. „Das ist ein Zeitpunkt, in dem Land ernsthaft die zugrundeliegenden Themen des Rassismus und der Diskriminierung in der Polizei angehen muss“, sagte eine Sprecherin. Macron hatte dagegen betont, dass es keinen systematischen Rassismus in der Polizei gebe.

Menschengruppe vor brennenden Reifen
Bei einer Straßenblockade in Bordeaux wurden Autoreifen angezündetBild: Philippe Lopez/AFP/Getty Images

Das Auswärtige Amt in Berlin aktualisierte seine Reise- und Sicherheitshinweise. „Informieren Sie sich über die aktuelle Lage an dem Ort Ihres Aufenthalts und meiden Sie weiträumig Orte gewalttätiger Ausschreitungen“, heißt es in dem Hinweis für Reisende nach Frankreich. Die US-Regierung riet ihren Bürgern, Menschenansammlungen und Orte zu meiden, an denen es zu einem größeren Polizeieinsatz kommt. Auch die britischen Behörden mahnten zu Vorsicht und warnten vor Verkehrs-Einschränkungen.

Ob Macron seinen ab Sonntag geplanten dreitägigen Staatsbesuch in Deutschland absagen wird, ist offen. Der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, er habe dazu im Augenblick keine Informationen. Die Bundesregierung blicke mit einer „gewissen Sorge“ auf die aktuellen Ereignisse in Frankreich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert