Die US-Regierung hat Auszüge aus einem Untersuchungsbericht zu den Ursachen des überstürzten Abzugs ihres eigenen Militärs aus Afghanistan veröffentlicht. Die Verantwortung für den chaotischen Abzug der US-Truppen aus dem Land am Hindukusch trägt demnach in erster Linie der frühere Präsident Donald Trump, obwohl der Truppenabzug während der Amtszeit von dessen Nachfolger Joe Biden vollzogen wurde.
Trump gab engen Zeitplan vor, aber keinen Ausführungsplan
Die scheidende Trump-Regierung habe lediglich einen Termin für einen Rückzug, aber „keinen Plan für dessen Ausführung“ hinterlassen, heißt es in der zwölf Seiten langen Zusammenfassung. Zudem seien staatliche Stellen, die für einen geordneten Rückzug des US-Militärs aus Afghanistan nötig gewesen wären, „nach vier Jahren der Vernachlässigung und in einigen Fällen der absichtlichen Verschlechterung“ in einem „schlechten Zustand“ gewesen“. Erstellt haben den Bericht verschiedene Nachrichtendienste unter der Führung des Nationalen Sicherheitsrates, einem beratenden Gremium, dem Joe Biden als Präsident der USA selbst vorsitzt.
Als Biden im Januar 2021 ins Amt gekommen sei, seien die islamistischen Taliban in der stärksten militärischen Position seit 2001 gewesen und hätten fast die Hälfte des Landes kontrolliert, heißt es. Gleichzeitig seien nur noch 2500 US-Soldaten in Afghanistan gewesen, so wenige wie zu keinem Zeitpunkt des Einsatzes.
Unter Bezug auf Trump heißt es in der Zusammenfassung des Geheimdienstberichts weiter, im Februar 2020 hätten die USA den Taliban zugesagt, bis Mai 2021 aus Afghanistan abzuziehen. Im Gegenzug erklärten sich die Taliban bereit, die US-Truppen nicht anzugreifen. Biden sei dann in den ersten Monaten seiner Präsidentschaft mit diesem engen Zeitplan konfrontiert gewesen. Sonst hätten die Taliban die US- und alliierten Einheiten angegriffen.
Biden hatte im April 2021 angekündigt, alle US-Soldaten spätestens bis zum 11. September bedingungslos aus Afghanistan abzuziehen. Im Juli zog Biden das Datum für den vollständigen Abzug auf den 31. August vor. Aber bereits am 15. August hatten die Taliban überraschend die afghanische Hauptstadt Kabul eingenommen. Inmitten des Evakuierungseinsatzes der US-Truppen wurden bei einer Terrorattacke vor dem Flughafen von Kabul mindestens 170 Afghanen und 13 US-Soldaten getötet. Die mit den radikalislamischen Taliban verfeindete Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) reklamierte den Angriff für sich.
Man habe aus dem Abzug gelernt, heißt es in dem Bericht weiter. Seither werde ein früherer Abzug priorisiert, wenn sich die Sicherheitslage an einem Einsatzort verschlechtere.
Mit dem Truppen-Abzug endete der internationale Militäreinsatz in Afghanistan nach fast 20 Jahren. Der Afghanistan-Einsatz gilt als der längste Krieg der USA in der Geschichte. Präsident Biden war für den überstürzten Rückzug der US-Truppen heftig kritisiert worden. Die oppositionellen Republikaner gaben den Demokraten unter Biden die Schuld an dem Debakel.