Die Euro-Währungshüter stemmen sich mit der sechsten Zinserhöhung in Folge gegen die nach wie vor hohe Teuerung im gemeinsamen Währungsraum. Die Europäische Zentralbank (EZB) hebt den Leitzins erneut um 0,50 Prozentpunkte auf nun 3,5 Prozent an. Das beschloss der Rat der Notenbank am Donnerstag in Frankfurt.
Aus Sicht von EZB-Präsidentin Christine Lagarde hellen sich die Konjunkturaussichten im Euro-Raum auf. Die Wirtschaft dürfte sich im Verlauf der kommenden Quartale erholen, sagte die Französin am Donnerstag auf der Pressekonferenz nach dem Zinsbeschluss in Frankfurt. Die Industrieproduktion dürfte anziehen, da sich die Angebotsbedingungen verbesserten. Zudem arbeiteten viele Firmen große Auftragsbestände ab. Auch der Arbeitsmarkt bleibe voraussichtlich robust.
Viele Volkswirte hatten damit gerechnet, dass die EZB an dem in Aussicht gestellten kräftigen Zinsschritt festhält, trotz der Unsicherheit im Bankensektor nach dem Kollaps mehrerer kleinerer US-Banken und Sorgen um die Schweizer Großbank Credit Suisse. Die EZB betonte: „Der Bankensektor des Euroraums ist widerstandsfähig: Kapital- und Liquiditätspositionen sind solide.“
Zinsen erzeugen auch Druck
Die Notenbank strebt für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent an. Diese Zielmarke ist seit Monaten weit entfernt. Zwar hat sich die Inflation im gemeinsamen in den vergangenen Monaten tendenziell abgeschwächt, zuletzt aber nur langsam. Im Februar lag die Inflationsrate im gemeinsamen Währungsraum nach einer Schätzung der europäischen Statistikbehörde Eurostat bei 8,5 Prozent nach 8,6 Prozent im Januar. Vor allem hohe Energie- und Lebensmittelpreise heizen die Inflation an.
Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sie können sich für einen Euro weniger leisten. Steigende Zinsen können hohen Teuerungsraten entgegenwirken, weil sich Kredite verteuern und das die Nachfrage bremst. Stark steigende Zinsen können allerdings Banken unter Druck setzen, wie sich jüngst am Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA zeigte.
Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, nannte die Zinsentscheidung der EZB auf Twitter ein „Investition in die Glaubwürdigkeit“.
Allgemeine Zustimmung
Der Chefökonom der Targobank, Otmar Lang, kommentiert den Zinsschritt mit diesen Worten: „Europas Währungshüter haben mit dem heutigen Schritt eine härtere Gangart eingeschlagen als angenommen – und sich eben nicht auf eine Verschiebung oder Aussetzung des Zinserhöhungszyklus verständigt. Das war sehr mutig, aber auch sehr richtig.“
Ulrike Kastens, Europa-Volkswirtin bei DWS lobt die Zinsanhebung ebenfalls und hält fest, dass „eine Vorfestlegung des weiteren Zinspfads entfällt. Damit fährt die EZB auf Sicht, was angesichts der aktuellen Lage verständlich ist. Dennoch: Das Mandat der EZB ist Preisstabilität. Diese ist weder aktuell noch auf Basis der Projektionen für die nächsten Jahre gegeben. Daher dürfte die EZB nicht darum herumkommen, die Leitzinsen weiter zu erhöhen.“
Ulrich Kater von der Dekabank nennt die Entscheidung ebenfalls einen Vertrauensbeweis: „Die EZB hat sich auch von den Turbulenzen im Bankensystem nicht von ihrem angekündigten Zinskurs abbringen lassen.“
Optimistischer Finanzminister
Experten halten eine weltweite Finanzkrise wie nach dem Zusammenbruch der Lehman-Bank vor rund 15 Jahren aktuell aber für unwahrscheinlich.Bundesfinanzminister Christian Lindner betonte, das deutsche Kreditwesen – private Banken, Sparkassen, genossenschaftliche Institute – sei stabil. „Und dafür sorgen wir auch weiter“, sagte er am Mittwochabend in der ARD-Sendung „Maischberger“.
Der sogenannte Einlagensatz, den Kreditinstitute erhalten, wenn sie Geld bei der EZB parken, steigt nach der Entscheidung des EZB-Rates vom Donnerstag auf 3,00 Prozent. Seit der Kursänderung der EZB im Juli profitieren Sparer von steigenden Zinsen für Tages- und Festgeld. Allerdings mindert die hohe Inflation die Erträge.