Polens Asylpolitik: Warum Tusk jetzt auf Abschottung setzt

Von | 14. Oktober 2024

Donald Tusks Ausführungen vom Wochenende zum Thema Migration, Flucht und Asyl haben nicht nur europaweit für Schlagzeilen gesorgt, sondern auch in Polen selbst – jedoch weniger wegen der Sache. Die Regierung Tusk fährt an der Ostgrenze des Landes einen Kurs, der in Teilen noch härter ist als der der Vorgängerregierung um die PiS-Partei. Per Gesetz wurde zuletzt auch der Einsatz von Schusswaffen in bestimmten Fällen ermöglicht, wenn Menschen versuchen, die Grenze irregulär zu queren.

Was aufhorchen ließ, war der Ton des eigentlich als rechtsliberal verorteten früheren EU-Ratspräsidenten Tusk. „Wir befestigen die Grenze, und wenn es um illegale Migration geht, werde ich absolut hart und rücksichtslos sein, auch wenn ich dafür verprügelt werde und keine europäischen Ideen anerkennen und umsetzen werde, die unsere Sicherheit gefährden“, sagte Tusk. Niemand werde ihn zum Migrationspakt der EU zwingen.

Abriegelung der Ostgrenze

Wobei offen blieb, was das heißt: Will Polen den bereits auf EU-Ebene verabschiedeten Migrationspakt nicht umsetzen und Strafzahlungen riskieren? Einen Pakt, der gerade keine zwangsweise Umverteilung von Flüchtlingen mehr vorsieht und dessen Nutznießer Polen sei, wie Tusk noch nach der Verabschiedung beteuerte.

Zuletzt war in Warschau von „Nachverhandlungen“ die Rede gewesen. Die Details seiner sogenannten Migrationsstrategie will Tusk am Dienstag auf einer Kabinettssitzung erörtern. Dazu scheint also eine möglichst komplette Abriegelung der Ostgrenze zu gehören.

Die Grenze gänzlich unpassierbar zu machen sei die humanitärste Politik überhaupt, so Tusk, weil dann auch niemand mehr beim Versuch sterben könne, sie zu durchbrechen. Weiter sagte er: „Eines der Elemente der Migrationsstrategie wird eine zeitweise territoriale Aussetzung des Asylrechts sein, und ich werde Anerkennung für diese Entscheidung in Europa einfordern.“

Möglicherweise Verstoß gegen Verfassung

Dies richte sich gegen Belarus, Russland und die Menschenhändler und Versuche, durch gezielte Einschleusungen und Missbrauch des Asylrechts die EU zu destabilisieren. Formalrechtlich wäre ein solcher Schritt ein Verstoß gegen internationale und europäische Verträge und womöglich auch gegen die polnische Verfassung selbst, die das Asylrecht erwähnt.

Mit seinen Worten wolle der Premier der rechtskonservativen PiS und noch radikaleren Gruppierungen den Wind aus den Segeln nehmen und vor den Präsidentenwahlen nächstes Jahr Wähler abwerben, heißt es in Analysen.

Die Furcht vor massenhafter Migration gehört auch in Polen zum Kernbestandteil politischer Mobilisierung dieser Gruppierungen. Gleichzeitig riskiert Tusk damit aber Unruhe in der eigenen Koalition, die bis zur polnischen Linken reicht.

Magdalena Biejat ist für die Linke Vizemarschallin im Sejm. „Es ist für mich schockierend, dass ein Regierungschef, der mit dem Versprechen in die Wahl ging, die Demokratie wiederherzustellen, uns heute vor Migranten und der EU Angst macht.“ Das breche mit allen Konventionen und jeglichem Anstand. Vor allem in einem Land, „das vor Kurzem selbst ein Land der Migranten war, dessen Bürger auf Asyl anderswo rechnen konnten, auch in Zeiten, als hier Krieg war“, so Biejat.

Tusks außenpolitische Motivation

Doch möglicherweise ist Tusks demonstrative Härte in Sachen Migration nicht nur innenpolitisch motiviert. Im Webportal „Interia“ meinte ein Kommentator, Tusk gehe es um Europa. Er habe registriert, wie die EU nach rechts drifte, weg von Werten wie Toleranz und Weltoffenheit hin zu Themen wie Sicherheit und Grenzschutz.

Tusk wolle diese Phase des Übergangs nutzen und sich auf die Welle des Wandels in Europa schwingen, um sich so in die erste Liga europäischer Entscheidungsträger tragen zu lassen. Der Pole wisse, dass sein Land eine Schlüsselrolle hat, sowohl in Sachen Ukraine als auch bei der Migration und also gebraucht werde.

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