Wie die Ampel sich beim Haushalt verkämpft

Von | 15. August 2024

„Ich bin der einsamste Minister“, sagt Finanzminister Lindner am Mittwochmorgen. Leidend sieht er dabei nicht aus, sondern hat eher ein spitzbübisches Lächeln im Gesicht. „Ich bin allein im ganzen Bundeskabinett, denn alle anderen wollen immer zusätzliches Geld.“ Lindner aber bleibe aufrecht. Er sei dann immer der, der sagen müsse: „Es muss doch von irgendwo kommen!“ Damit hat Lindner die Lacher auf seiner Seite beim Bürgerdialog in Friedrichshafen. Und er hat seine Botschaft platziert: Die FDP weiß mit Geld umzugehen, die Liberalen achten beim Haushalt auf solide Finanzen.

Eine Lösung für das Loch im Haushaltsentwurf gibt es aber weiterhin nicht – und langsam drängt die Zeit. Zwar hatten sich die Spitzen der Ampel schon vor Wochen auf einen Haushaltsentwurf geeinigt. Der sollte noch in dieser Woche Bundestag und Bundesrat übergeben werden. Doch eine Finanzierungslücke sorgt noch für Streit. Will die Ampel den ursprünglichen Zeitplan weiter halten, drängt langsam die Zeit.

„Wochen, um so einen Entwurf durchzuarbeiten“

Ein netter Abend am Kamin wird für das Durcharbeiten eines Bundeshaushalts nicht reichen: 3.232 Seiten hatte das Haushaltsgesetz im vergangenen Jahr. Deswegen schlägt die CDU nun Alarm, fordert eine schnelle Lösung: „Der Haushalt ist kein kleines Fachgesetz, es ist das gesamte Zahlenkompendium der Regierungspolitik des kommenden Jahres“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Middelberg. „Man braucht Wochen, um das durchzuarbeiten, nicht Tage.“ Entweder die Regierung liefere die Vorlage bis Freitag ab, oder die für Anfang September geplanten Haushaltsdebatten müssten „zwingend verschoben“ werden.

Wie die Löcher im Haushaltsentwurf gestopft werden sollen, darüber sprechen die Spitzen der Ampel laufend, heißt es aus Regierungskreisen. Von „guten und vertrauensvollen Gesprächen“ erzählt heute der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner. „Alle Beteiligten“ – damit sind Bundeskanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner gemeint – seien „optimistisch, dass wir im Zeitplan eine gute Lösung vorlegen können“, sagte er weiter.

FDP feilt weiter an ihrem Profil

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer bringt über die Bild-Zeitung die Idee ins Gespräch, pauschal alle Etats um 1,5 Prozent zu kürzen. Wohl wissend, dass das die Stimmung bei den Koalitionspartnern nicht steigern dürfte. Gerade die SPD hatte wiederholt gesagt, dass Kürzungen im Sozialen für sie nicht infrage kämen.

Entsprechend wird die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten heute deutlich: „Wir wollen doch nicht mit dem Rasenmäher durch alle Ministerien fahren,“ sagt Verena Hubertz im Mittagsmagazin von ARD und ZDF. Es brauche „zielgerichtete Maßnahmen“. Auf die Frage, wer beim Haushalt eigentlich bremse, gibt sie die süffisante Antwort: „Ich habe das Gefühl, die FDP sollte mal Urlaub machen.“ Beispielsweise in Rheinland-Pfalz. Dort sei auch zu sehen, wie eine Ampelregierung gut funktioniere.

„Was den Haushalt angeht: Täglich grüßt das Murmeltier“

Auch bei den Grünen scheint der Geduldsfaden strapaziert. Vizekanzler Habeck wird am Rande eines Termins in Berlin auf die Vorschläge der FDP angesprochen. „Welche Vorschläge?“, entgegnet er sarkastisch. Man werde sich melden, wenn es etwas Neues gebe. „Was den Haushalt angeht: Täglich grüßt das Murmeltier“, so Habeck: „Es gibt noch nichts Neues.“

Klar ist: Im Haushalt klafft eine Lücke. 17 Milliarden Euro ist sie groß. Viel zu viel, sagt der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Helge Braun (CDU): „Der derzeitige Kabinettsentwurf ist aus meiner Sicht nicht beratungsfähig, weil er nicht rechtskonform ist.“ Aktuell seien die Beratungen im Bundestag so geplant, dass der Haushalt gerade vor Ende des Jahres verabschiedet werden könne. Braun warnt: „Wenn die Regierung nicht kurzfristig zu einer Einigung kommt, dann ist das Inkrafttreten des Haushalts zum neuen Jahr in Gefahr.“

Statt einer „17-Milliarden-Lücke“ reden Fachpolitiker gern von den „globalen Minderausgaben“ im Haushalt. Dahinter steht das Prinzip Hoffnung: So wie der Steuerzahler womöglich am Ende des Monats noch etwas Kleingeld in seiner Geldbörse findet, bleibt auch beim großen Haushalt des Bundes am Ende des Jahres etwas übrig. Weil beispielsweise Mittel nicht abgerufen werden oder Geld nicht gebraucht wird, weil Projekte nicht funktionieren. Allerdings: Dafür mehr als neun Milliarden anzusetzen, gilt als unrealistisch. Und aktuell stehen im Entwurf bei diesem Posten 17 Milliarden. Also acht Milliarden zu viel.

Geschickte Buchhaltung soll die Lösung bringen

Die SPD möchte das Problem gern durch geschickte Buchhaltung lösen: Einige Milliarden an Krediten soll nicht der Bund aufnehmen. Da die Bahn und die Autobahn-GmbH das Geld brauchen, sollen die Kredite bei den beiden Unternehmen verbucht werden und somit nicht für die Schuldenbremse zählen. Damit wäre die Lücke geschlossen. Laut einem Rechtsgutachten ist das möglich, wenn auch nicht ganz einfach. Der Finanzminister fühlt sich wohl auch bei diesem Thema allein: Öffentlichkeitswirksam hat er von dem Buchhaltungskniff abgeraten.

Wenn sich die Ampel-Chefs einmal einigen, müssen dem Entwurf noch alle Minister des Kabinetts im sogenannten Umlaufverfahren zustimmen. Auch das wird noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. Will die Regierung den Haushaltsentwurf also bis Freitag unter Dach und Fach bringen, dann wird es langsam eng. Sonst riskiert die Ampel harsche Kritik von allen Seiten, sofern sie ihren Zeitplan noch einmal umwerfen muss. Würde es dazu kommen, könnte sich der Finanzminister noch einsamer fühlen als bisher.

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