Corona-Aufarbeitung im Bundestag droht zu scheitern

Von | 13. Juli 2024

Eigentlich sind alle angeblich dafür – und trotzdem wird eine Corona-Aufarbeitung im Bundestag immer unwahrscheinlicher. Denn die Ampelfraktionen können sich nicht einigen, wie genau die Pandemie ausgewertet oder wer daran beteiligt werden soll.

Aus den Fraktionen heißt es, die bisherigen Gespräche dazu seien gescheitert – und alle drei Koalitionspartner verweisen jeweils auf die anderen, die sich sinnvollen Vorschlägen verschlossen hätten.

Verschiedene Ansätze

Die SPD wolle die Corona-Zeit „parlamentarisch mit einem Bürgerrat und einer Kommission aus Bundestag und Bundesrat auf Augenhöhe aufarbeiten“, sagt Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios. „Davon konnten wir nicht alle Koalitionspartner überzeugen.“

Die FDP will ein etwas anderes Gremium wählen und eine „schnell handlungsfähige Enquete-Kommission des Bundestags“ einsetzen. „Stand jetzt gibt es dafür aber leider weiterhin keine ausreichende Bereitschaft bei den Koalitionspartnern“, sagt Christine Aschenberg-Dugnus, Parlamentarische Geschäftsführerin der Liberalen.

Aus der grünen Fraktion heißt es wiederum, dass „es bei FDP und SPD sehr unterschiedliche Vorstellungen gibt, wie man die Corona-Maßnahmen noch einmal näher betrachtet“, man selbst sei für viele Ideen offen.

Aufgeschoben oder aufgehoben?

Die Situation scheint verfahren. Intern sprechen viele davon, dass sie vom schleppenden Prozess genervt seien. Unklar ist, ob die Aufarbeitung damit verschoben wird – oder grundsätzlich in dieser Legislatur nicht mehr kommt.

Eigentlich hatten die Ampelfraktionen angekündigt, dass das Ganze möglichst vor der Sommerpause auf den Weg gebracht werden soll. „Wir sind uns auf jeden Fall einig, dass es durch den Deutschen Bundestag zu so einer Aufarbeitung kommen soll“, sagte die grüne Fraktionschefin Katharina Dröge Ende Juni. Damals fügte sie hinzu: „Über das genaue Format sprechen wir gerade noch miteinander.“

Wer soll wen befragen?

Dieses „Format“ ist keine rein organisatorische Entscheidung – im Kern geht es darum, wer wen befragt in Bezug auf kritische Corona-Themen und mögliche Lerneffekte für die nächste Pandemie: Was bringen Schulschließungen? Waren 2G-Regeln, also der Blick auf Impf- oder Genesenenstatus, überzogen? Wie funktionierten die Tests? Was hat dazu beigetragen, Krankenhäuser zu entlasten?

Viele Maßnahmen wurden damals von Ministerpräsidentenkonferenzen beschlossen. Bund und Länder entschieden beispielsweise darüber, wer in Kinos, Gaststätten oder Geschäfte darf. Die Fraktionen sind sich nun offenbar uneinig, wie man die Bundesländer in die Aufarbeitung einbezieht.

Bürgerrat, Kommission oder Enquete-Kommission

Ein Bürgerrat, wie ihn die SPD favorisiert, würde vor allem die Erfahrungen der Bevölkerung einbeziehen. Eine „Kommission aus Bundesrat und Bundestag“, wie sie die SPD zusätzlich vorschlägt, besteht üblicherweise aus 16 Vertretern, darunter Bundestagsabgeordnete und Mitglieder von Landesregierungen.

Hier wären die Ländervertreter wohl eher in der Rolle der Untersuchungsleiter, statt selbst mit eigenen Entscheidungen im Fokus zu stehen – so könnte man das Format interpretieren, auch wenn Arbeitsaufträge bislang nicht formuliert sind.

Eine Enquete-Kommission wiederum, die für die FDP zwingend Teil der Corona-Analyse sein muss, würde nicht nur aus Politikern, sondern auch aus Sachverständigen bestehen. Die FDP argumentiert, dass es vor allem darum gehen müsse, die beteiligten Länderchefs kritisch zu ihren Entscheidungen zu befragen. Diese seien „teilweise zu absurden Corona-Maßnahmen gekommen“, sagte Fraktionschef Christian Dürr im Juni.

Kritischer Blick auf die Länder

Der kritische Blick auf die Länderebene – das könnte eine Enquete-Kommission wohl am ehesten leisten, da sie Entscheider zur Anhörung einladen kann. In Hintergrundgesprächen sagen FDP- und Grünen-Vertreter, dass genau das für die SPD ein Problem sei. Schließlich stelle sie viele Länderchefs.

Bislang versuchten die Ampelpartner, zwei Formate – etwa einen Bürgerrat und eine Kommission – sinnvoll zu kombinieren und so einen Kompromiss zu finden. Zuletzt verhakelte man sich offenbar in den Details, etwa der Frage, wie viele und welche Ländervertreter beteiligt sein könnten.

Aufarbeitung gescheitert?

Wie wahrscheinlich ist es, dass die Aufarbeitung damit in dieser Legislatur gar nicht mehr kommt? Dazu gibt es aus den drei Ampelparteien unterschiedliche Einschätzungen. Die SPD glaubt nicht mehr an eine Einigung, will das aber nicht öffentlich sagen. Man schließe aber auch nicht aus, dass es im Herbst doch weitere Gespräche geben werde.

Grüne und FDP setzen genau darauf: Im September könnte ein neuer Vorstoß gewagt werden. „Wir hoffen immer noch, dass wir gemeinsam mit den Koalitionspartnern einen guten Weg finden“, sagt Irene Mihalic, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen.

Alle drei rechnen aber auch vor, dass dann der Zeitplan sehr eng werde. Inhaltliche Arbeit könne bis zur nächsten Bundestagswahl dann nur sehr begrenzt möglich sein. Eine Corona-Aufarbeitung müsste dann in der kommenden Wahlperiode fortgeführt werden – wenn sie denn überhaupt noch auf den Weg gebracht wird.