Wie viele Raketen und Marschflugkörper sollen in Deutschland ab wann stationiert werden?
Die USA wollen erstmals seit dem Kalten Krieg wieder Waffensysteme in Deutschland stationieren, die bis nach Russland reichen. Sie sollen aber erst ab 2026 verlegt werden. Aus dem deutschen Außenministerium heißt es als Begründung lediglich, „solche Dinge haben einen gewissen Vorlauf“.
Das mag richtig sein, allerdings könnte ein möglicher neuer US-Präsident Donald Trump die geplante Stationierung auch wieder rückgängig machen. Der Republikaner hatte während seiner ersten Amtszeit die US-Truppenpräsenz in Deutschland und Europa reduziert.
Zur genauen Anzahl der stationierten US-Raketen und -Marschflugkörper gibt es bislang keine belastbaren Informationen.
Welche Reichweite haben die US-Waffensysteme?
Moskau liegt beispielsweise 1600 Kilometer Luftlinie von Berlin entfernt. Die russische Hauptstadt könnte also von US-Marschflugkörpern vom Typ Tomahawk mit einer Reichweite von bis zu 2500 Kilometern erreicht werden.
Außerdem geht es in der deutsch-amerikanischen Vereinbarung um Flugabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu zu entwickelnde Überschallwaffen. Zusammen sollen sie für einen besseren Schutz der NATO-Verbündeten in Europa sorgen.
Mit den Waffensystemen soll eine „Fähigkeitslücke“ geschlossen werden. Was heißt das?
Vor rund fünf Jahren wurde der sogenannte INF-Vertrag aufgelöst. Er verbot landgestützte atomare Mittelstreckenwaffen. Der Vertrag wurde von den USA mit Rückendeckung der NATO-Partner gekündigt, weil Russland verdeckt in die Entwicklung nuklearfähiger Mittelstreckenraketen investiert hat. Russland hat also den INF-Vertrag offensichtlich gebrochen, die USA hat ihn dann unter Präsident Trump gekündigt.
Da die Europäer selbst keine Mittelstreckenraketen haben, soll die US-Armee diese „Fähigkeitslücke“ vorübergehend schließen, bis die Europäer in fünf bis sieben Jahren selbst konventionelle Raketen entwickelt haben.
Aus Sicht der Sicherheitsexpertin Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik gibt es drei wesentliche Gründe für die NATO, die US-Waffensysteme in Deutschland zu stationieren. Im NDR-Podcast Streitkräfte und Strategien führte sie an, dass Russland in der Exklave Kaliningrad schon länger sogenannte nuklearfähige Iskander-Raketen stationiert hat.
Außerdem wurden dorthin ab 2022 russische Kampfjets mit sogenannten Kinchal-Überschallraketen verlegt. Und Russland hatte angekündigt, in Belarus taktische Nuklearwaffen zu stationieren. Um diesen Bedrohungen etwas entgegenzusetzen, will man keine weiteren Atomwaffen, sondern konventionelle Marschflugkörper vorhalten.
Trotz der russischen Bedrohung gibt es aber auch Politiker, die vor einer „Aufrüstungsspirale“ warnen. Für den Linken-Verteidigungspolitiker Dietmar Bartsch steigt mit der Stationierung der US-Waffensysteme „die Gefahr einer Auseinandersetzung“.
Wer bezahlt die Stationierung von US-Raketen und –Marschflugkörpern in Deutschland?
Was die Kosten für Deutschland angeht, gibt sich die Regierung noch verschlossen. Man sei in vertraulichen Gesprächen und könne sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu den Details äußern, sagte ein Sprecher. Allerdings sähen die USA die Stationierung als „ihre Verpflichtung im Rahmen der NATO“ an. Übersetzt heißt das: Die USA sind und bleiben Eigentümer der Waffensysteme.
Finanzminister Christian Linder (FDP) sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, es sei „eine Stationierungsentscheidung der USA“. Möglicherweise muss Deutschland aber für die Infrastruktur aufkommen, wenn die Raketen langfristig in Deutschland stationiert werden sollen. Was dabei auf den Bundeshaushalt zukommt, lässt sich aktuell nicht beziffern.
Wer entscheidet, dass die US-Raketen in Deutschland stationiert werden?
Die Bundesregierung hat mit der US-Regierung über die Stationierung verhandelt. Da es nicht um den konkreten Einsatz bewaffneter Bundeswehrsoldaten im Ausland geht, braucht die Bundesregierung dabei keine Zustimmung des Bundestags. Der kommt erst ins Spiel, wenn die Stationierung der US-Waffensysteme oder die Entwicklung eigener europäischer Raketen Geld kostet.
Bislang hat es durch die Bundesregierung keine Information des Parlaments zu den US-Stationierungsplänen gegeben. Und aus dem Parlament gibt es auch Stimmen, die sich von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine bessere Information der Bevölkerung wünschen.