Eine humanitäre Feuerpause – die würden die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf jeden Fall unterstützen, meint der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Eine solche Feuerpause solle bewirken, dass humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gebracht werden und die Bevölkerung sich in Sicherheit bringen kann. Darüber haben die EU-Außenminister in Luxemburg beraten.
Die endgültige Position dazu legten aber die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen in Brüssel Ende der Woche fest, betonte Borrell. Einen grundlegenden Konsens in der Sache hält er nach dem jetzigen Treffen für gegeben – auch wenn es keine formelle Abstimmung gegeben habe, wie er einräumt.
EU tut sich schwer mit einheitlicher Linie
Die EU betrachtet die militant-islamistische Hamas als Terrororganisation, genau wie Israel, die USA, Deutschland und weitere Staaten. Seitdem Hamas-Kämpfer am 7. Oktober Israel in einem Terroranschlag angegriffen haben, fällt es der EU offensichtlich schwer, eine gemeinsame Position zu finden. Bereits zwei Tage nach dem Überraschungsangriff herrschten Unklarheiten, ob – und wenn ja, welche – Hilfszahlungen für die palästinensischen Gebiete eingestellt werden beziehungsweise auf dem Prüfstand stehen.
EU-Außenminister beraten in Luxemburg
Auch die Idee einer humanitären Feuerpause oder eines humanitären Waffenstillstandes scheint nicht bei allen EU-Staaten gleich gut angekommen zu sein. Ebenso ungeklärt ist die Frage, was genau darunter zu verstehen und was der Unterschied zwischen beiden ist.
Feuerpause oder Waffenstillstand?
Borrell sagte dazu auf Nachfrage, ein Waffenstillstand sei für ihn weit mehr sei als eine Feuerpause. Letztere sei ein weniger ehrgeiziges Ziel und schneller umzusetzen. Einen humanitären Waffenstillstand müssten die Konfliktparteien vereinbaren. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hatte ihn vor einigen Tagen ins Spiel gebracht.
Am Morgen hatten sich bereits einige Länder hinter die Forderung nach einer Waffenruhe gestellt. „Wir rufen zu einem dringenden humanitären Waffenstillstand auf, um Korridore für humanitäre Hilfe an die Zivilbevölkerung zu schaffen“, forderte etwa die slowenische Außenministerin Tanja Fajon. Auch Spanien und Irland hatten sich hinter die Forderung der UN-Generalsekretärs gestellt.
Deutschland zögert beim Waffenstillstand
Im Gegensatz dazu zeigte sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock vor dem Treffen zurückhaltend. Darauf angesprochen sagte sie, dass die Bekämpfung des Terrorismus, der so viel Leid über die Menschen in Gaza gebracht habe, „essenziell“ sei. „Zugleich muss alles dafür getan werden, dass das unglaubliche Leid der zwei Millionen Menschen in Gaza gemildert wird“, erklärte die Grünen-Politikerin und sprach von einer Quadratur des Kreises.
Auch von lettischer und tschechischer Seite klang eine eher ablehnende Haltung an. Der tschechische Außenminister Jan Lipavsky stellte infrage, dass ein solcher Waffenstillstand nur mit der Hamas durchgesetzt werden könne. Außerdem hoffe er, dass keiner das Selbstverteidigungsrecht Israels vergesse. Deutlicher wurde der italienische Außenminister Antonio Tajani: „Wir können Israel nicht sagen, dass es sich nicht mehr selbst verteidigen darf, solange die Hamas Raketen auf seine Städte abfeuert.“
Nun liegt die Entscheidung darüber, geschlossen eine humanitäre Feuerpause, einen humanitären Waffenstillstand oder nichts dergleichen zu fordern, also bei den Staats- und Regierungschefs, die sich am Donnerstag treffen. In einem Entwurf von EU-Ratspräsident Charles Michel ist ein entsprechender Passus enthalten – jedenfalls bisher.